Psychologische Gutachten im deutschen
Kindschaftrecht.
In Deutschland scheitert das bisher jedoch an der Gesetzeslage und
einem vielfach dogmaartigen Festhalten daran, dass der gerichtliche
Auftrag auf reine Statusdiagnostik zu beschränken sei, obwohl es in
Kindschaftsangelegenheiten, anders als etwa bei
Schadensersatzforderungen, in erster Linie auf eine tragfähige,
langfristige Lösung ankommt. Erst allmählich und äußerst zaghaft
beginnt sich auch in Deutschland, dank des beherzten Engagements
einzelner Sachverständiger und Richter/innen, die Idee zu verbreiten,
das teilweise sogar schon auch ganz innerhalb des bestehenden
Gesetzesrahmens, die Macht des Gerichts dazu genutzt werden kann, unter
seiner Aufsicht, durch Kooperation aller professionellen Trennungs-/
Scheidungsbegleiter eine möglichst einvernehmliche und damit am ehesten
langfristige Lösung zu erreichen (vgl. z. B. Cochemer Praxis). Das FGG Reformgesetz, das Mitte 2009 in Kraft treten
soll, trägt dem teilweise Rechnung, indem es auf die Möglichkeiten sog.
lösungsorientierter Diagnostik,
und vermehrt auch auf (bestehende) Beratungs- und
Mediationsangebote verweist, allerdings leider überwiegend nur in Form
von bloßen Kann-Bestimmungen und ohne die Festlegung spezifischer
und hoher Qualifikationsanforderungen an die professionellen
Trennungs-/ Scheidungsbegleiter, wie sie anderswo üblich ist.
1.4.2011: Zur
Verfassungswidrigkeit der einem
Elternteil durch das Familiengericht auferlegten Fortsetzung einer
Psychotherapie.
BVerfG, 1 BvR 1572/10 vom 1.12.2010, Absatz-Nr. (1 - 27), http://www.bverfg.de/entscheidungen/rk20101201_1bvr157210.html
Zeitschrift für Kindschaftsrecht und Jugendhilfe, ZKJ 2011(3), Seiten 98-100.
Auch in Deutschland erlassen einzelne Familiengerichte von Zeit
zu Zeit aus gut nachvollziehbaren Gründen Auflagen zur Inanspruchnahme
einer Psychotherapie. Damit soll die
Erziehungsfähigkeit des betreuenden Elternteils (oder beider
Eltern) verbessert und so schwerwiegendere, auch das Kind erheblich
belastende
Maßnahmen, wie ein Sorgerechtsentzug wegen Kindeswohlgefährdung (§
1666 BGB) vermieden werden. Reichlich Erfahrung aus dem Ausland zeigt,
dass
bloße Hinweise auf Beratungsangebote, wie sie das Reformgesetz FamFGvom
1.9.2009 vorsieht, in Fällen etwa von besonders hartnäckiger
Umgangsvereitelung oder Eltern-Kind-Entfremdung jedoch nicht
genügen,sondern dazu strikte gerichtliche Auflagen erforderlich sind,
die
notfalls auch mit allen zu Gebote stehenden Mitteln durchgesetzt
werden müssen. In Deutschland dagegen mangelt es nicht nur an der
Durchsetzung
gerichtlicher Entscheidungen, sondern wurden bisher Auflagen zu
einer Psychotherapie regelmässig von der Beschwerdeinstanz (OLG)
"kassiert".
Im vorliegenden Fall dagegen wurde vom OLG Frankfurt,
Entscheidung vom 6.5.2010 (3 UF 350/08) der Beschwerdeführerin
aufgetragen eine bereits begonnene
Psychotherapie fortzusetzen und diese Auflage dann vom
Bundesverfassungsgericht aufgehoben. Es lohnt sich wirklich die sehr
ausführliche Begründung, auch mit umfangreichen Bezug auf frühere
Entscheidungen, dieses Beschlusses zu lesen, nach der §1666 BGB etc keine Grundlage für die
Anordnung einer Psychotherapie hergeben,
auch wenn der vorliegende Fall einige Besonderheiten aufweist. So
sah die Entscheidung des OLG vor, dass die vom Jugendamt geforderte
Therapie bis zu einem Zeitpunkt fortzusetzen sei den ebenfalls
das Jugendamt in Absprache mit dem Therapeuten bestimmen sollte. Das
verletze, wie das BVerfG darlegt, wegen des bei einer
Psychotherapie erforderlichen besonderen Vertrauensverhältnisses nicht
nur das
Persönlichkeitsrecht der Beschwerdeführerin, sondern möglicherweise
auch
die Schweigepflicht des Therapeuten nach §203 StGB. (Wir
meinen übrigens auch, dass dies eine häufig zu findende
Tendenz widerspiegelt, dass JugendamtsmitarbeiterInnen mit Aufgaben
überfrachtet
werden, für die sie als SozialarbeiterInnen / SozialpädagogInnen gar
nicht
ausgebildet wurden, auch z. B. wenn Stellungnahmen des
Jugendamtes wie wissenschaftliche Gutachten behandelt
werden.) Einigermaßen kurios dagegen ist, dass, wie Richter am OLG
Dr. Stefan
Heilmann in der ZKJ Fassung anmerkt, vom OLG wohl überhaupt gar
keine Auflage erteilt wurde ihre eigene Therapie fortzusetzen, gegen
die
sich
die Beschwerdeführerin dann an das BVerfG wandte, sondern die
Auflage die Fortsetzung der Therapie ihrer Tochter betraf (bei der
allerdings
auch die sorgeberechtigte und betreuende Mutter normalerweise
einbezogen
würde, insbesondere auch weil ihr, wie im OLG Urteil
ausführlich dargestellt, wegen Kindeswohlgefährdung /
Erziehungsunfähigkeit das Sorgerecht über den
jüngeren Sohn bereits entzogen worden war).
Das BVerfG weist
zwar darauf hin, dass es den Gerichten weiterhin
unbelassen bleibe Beratung / Psychotherapie vorzuschlagen
und Konsequenzen bezüglich Erziehungsfähigkeit daraus zu ziehen, wenn
diese
Ratschäge nicht befolgt werden. Die Cochemer Praxis zeigt, dass
eine solche Vorgangsweise durchaus auch erfolgreich sein kann, wenn als
weitere wichtige Voraussetzungen alle Trennungs- / Scheidungsbegleiter
eng mit dem selben Ziel zusammen arbeiten, aber auch ein Mindestmaß an
Einsichtsfähigkeit bei den betreffenden Eltern noch vorhanden ist.
Wenn diese Voraussetzungen jedoch nicht erfüllt sind, werden solche
Fälle
die Gerichte weiterhin beschäftigen, wahrscheinlich sogar bis das
Kind endgültig "in den Brunnen gefallen ist". Erfahrungen, insbesondere
mit
neuen Programmen in den USA bei massiver Eltern-Kind-Entfremdung (Warshak et al,
Ward et
al) zeigen, dass auch solche Fälle erfolgreich mit einer speziellen
Psychotherapie gelöst werden können, die allerdings unbedingt
von strikten gerichtlichen Auflagen gestützt werden muss. Das betrifft
auch
die erforderliche Nachbetreuung. Auch daran fehlt es in
Deutschland, obwohl es sehr zu begrüßen ist, dass das FamFG nun statt
einer reinen
Statusdiagnostik auch eine sog. lösungsorientierte
Begutachtung ermöglicht. Aber nach der Begutachtungsphase und dem
Urteil
sind selbst
hochkonflikthafte Eltern allein gelassen, bis sie mit
einiger Wahrscheinlichkeit wegen fortgesetzter Konflikte wieder vor
Gericht
ziehen.
Klarerweise wäre auch bei Sorge - und
Umgangsrechtkonflikten einer
Prävention der Vorzug zu geben. Auch hier reichen die an sich
positiven Ansätze des FamFG nicht aus, weil Beratung über die
Scheidungsfolgen
für Kinder, wie in den USA seit Jahrzehnten erfolgreich
praktiziert, als
Scheidungsvoraussetzung verpflichtend sein sollte, aber auch
genau definierte Qualitätsanforderungen erfüllen müsste. Exakt dasselbe
gilt
auch für die im FamFG begünstigte Mediation, obwohl Mediation per se
auf
Freiwilligkeit beruht. Aber ein Mediationsversuch erscheint uns
zumutbar, bei dem etwa, wie in den USA, ein gemeinsamer
Sorgeplan erarbeitet werden soll. Ausgenommen von dieser Verpflichtung
werden auch in Staaten der USA als unzumutbar Fälle
massiver häuslicher Gewalt. Obwohl frühe Feldversuche mit einer
gerichtsnahen
Mediation (z. B. Regensburg, 1991) auch von anfangs skeptischen
Eltern durchwegs positiv aufgenommen wurden, werden solche Ansätze in
Deutschland aus primär ideologischen Gründen leider immer noch sogar
als
"Zwangsberatung" bzw. "Zwangsmediation" abgetan. Vgl. dazu unseren
früheren Bericht Beratung,
Familienmediation und das FamFG.
Hier einige weitere Urteile, die die
gegenwärtige Lage und
Hilflosigkeit, besonders in Hochkonfliktfällen verdeutlichen.
Gerichtliche Anordnungen, selbst die zu einer Begutachtung, wie im
nachfolgenden Fall u.ä., werden, weil fast risikolos (und das erst
recht bei nicht verheirateten Eltern, bei denen eine allein
sorgeberechtigte, hartnäckig das Umgangsrecht des Kindes und Vaters
boykottierende Mutter derzeit auch nicht einmal mit der
Androhung eines Sorgerechtswechsels zu rechnen hat) einfach
ignoriert, wie die folgenden Beispiele und zahllose andere
verdeutlichen. Nicht selten bleibt es selbst nach Jahren, nachdem schon
längst mit großer Wahrscheinlichkeit ein "point of no return" erreicht
wurde, mit bleibendem Schaden für das Kind und die
Eltern-Kind-Beziehung, immer noch bei bloßen richterlichen
Appellen an den den Umgang boykottierenden Elternteil,
obwohl Einsicht dann erfahrungsgemäß nicht mehr zu erwarten ist.
Oder es wird zum "Wunderrmittel" einer Aussetzung des Umgangs gegriffen,
das zwar die Entfremdung weiter verfestigt, aber schließlich durch
Resignation des ausgegrenzten Elternteils oder Zeitablauf
(Volljährigkeit) doch zu einer "Erledigung" der "Kindschaftssache"
führt.
- Gerichtliche
Ersetzung der Zustimmung zur psychologischen Begutachtung,
OLG Rostock. Beschluss (Zwischenentscheidung) vom 20. April
2006 -11 UF 57/01. ZKJ
7/8 2007, S. 317-319; NJW 2007, S. 231.
Zum
Zwecke der Begutachtung des Kindes wird der Kindesmuter die Befugnis
zur Zustimmung zur Begutachtung als Teilbereich der elterlichen Sorge
entzogen. Es wird insoweit für das Kind Pflegschaft angeordnet. Der
Gerichtsvollzieher wird beauftragt ... das Kind der Kindesmutter
wegzunehmen und dem Pfleger zu übergeben.
Zwar
kann in Verfahren wegen der Regelung des Umgangs die psychologische
Begutachtung grundsätzlich nur mit Zustimmung des Sorgeberechtigten
angeordnet und durchgeführt werden. Da die Kindesmutter aber
vorliegend die Zustimmung zur Begutachtung der durch den Senat
bestellten Gutachterin seit langem verweigert und nach dem jetzigen
Sachstand eine Kindeswohlgefährdung nicht mehr auszuschließen ist, muss
die Zustimmung nunmehr im Interesse des Kindes -gemäß § 1666 BGB - gerichtlich ersetzt
werden......
Das Kindeswohl wird
regelmäßig durch eine solche psychologische Begutachtung nicht
durchgreifend beeinträchtigt.
Vgl. dagegen:
- Joseph Salzgeber, Kindeswohlgefährdung
durch die Begutachtung? Anmerkungen zum Beschluss des
Oberlandesgerichts Rostock. ZKJ 7/8 2007, S. 274 -276.
Der
Autor vertritt die Auffassung, dass die zwangsweise Begutachtrung eines
Kindes vor dem Hintergrund langjähriger Kontaktunterbrechung des
Kindes zum getrennt lebenden Elternteil und nachhaltiger
Verweigerungshaltung des betreuenden Elternteils eine erhebliche
Kindeswohlbelastung bei vergleichsweise geringem diagnostischen Nutzen
darstellt. Nach einer solchermaßen erzwungenen Begutachtung des Kindes
kann aus hiesiger Sicht keine sinnvolle sachverständige Empfehlung zur
Frage des Umgangs abgegeben werden. Die Chance einer angeordneten
Begutachtung der Eltern könnte jedoch darin bestehen, den verweigernden
Elternteil zur Mitarbeit zu motivieren, was eine
interventionsorientierte Vorgehensweise erfordert. ......
Der Zwischenentscheidung
des OLG Rostock geht eine lange Historie beharrlicher
Umgangsvereitelung voraus, die mit dem Umzug der Mutter
Anfang November 1999, ohne Information des Vaters (das wäre
z. B. in Frankreich
allein schon mit erheblichen Strafen verbunden, mit einer
Verdreifachung des Strafmaßes, wenn der Umgangsberechtigte über fünf
Tage über den Aufenthaltsort des Kindes im Unklaren gelassen wird.
Vorliegend war die Mutter selbst der Aufforderung des Senats ihre neue
Anschrift mitzuteilen nicht nachgekommen!) komplett wurde. Eingesetzt
wurde von der Mutter das gesamte Register der in solchen Fällen
bekannten Verhaltensmuster wie: Missachtung gerichtlicher Anordnungen;
Verweigerung eines Kontaktes zwischen Kind und bestellten
Verfahrenspfleger, Befangenheitsanträge gegen Sachverständige, etc. und
was in solchen Hochkonfliktfällen fast Standard ist,
einschließlich sexueller Missbrauchsvorwürfe, aber bis heute
bei gleichzeitiger Verweigerung eines aussagepsychologischen
Gutachtens,
jedoch begleitet von stark suggestiven Befragungen im Rahmen einer
"Therapie " des Kindes durch 2 Psychotherapeutinnen. Die Annahme,
dass das Kind auf Grund dieser langen und massiven Beeinflussung einen
Umgang mit dem Vater heftig und auch beharrlich ablehnen
würde, lag daher nahe.
Von diesen Umständen offenbar frustriert, hatte der Senat mit
Beschluss vom 28.1.2004 den Umgang bis zum 31.12.2007 (4 Jahre!!)
ausgesetzt, mit der Verpflichtung der Mutter zur schriftlichen
Information über die Entwicklung des Kindes, was wahrscheinlich
ebenfalls den in solchen Fällen erfahrungsgemäß zu erwartenden
"Erfolg" gehabt hätte, wenn das Bundesverfassungsgericht den Beschluss
des OLG nicht mit sehr deutlichen Worten zur Bedeutung des
Umgangsrechts aufgehoben hätte:
BVerfG, 1 BvR 487/04 vom 9. 6.
2004, Absatz-Nr. (1 - 20), http://www.bverfg.de/entscheidungen/rk20040609_1bvr048704.htm.
Über die Anhörung des jetzt 10 jährigen Kindes durch denselben
Senat am 17.3.2006 wird in der Zwischenentscheidung berichtet:
... dass
das Kind verbal, wie bisher, den Umgang mit ihrem Vater ablehne, weil
-so sinngemäß- sie das nicht will, Mutti das nicht will, sie beide das
nicht wollen; zugleich aber durchaus hellhörig wurde und es nicht
glauben wollte bzw. konnte, dass der Vater den Kontakt zu ihr wünscht.
....
Ein
ganz ähnlicher Fall, mit den gleichen Verhaltensmustern des
beharrlich Umgang verweigernden Elternteils und einer ganz ähnlichen
Hilflosigkeit der Gerichte findet sich im folgenden Beschluss, mit dem
Unterschied allerdings, dass
- keine gesetzliche Grundlage für die Erzwingung der
Teilnahme an einer psychologischen Begutachtung gesehen wurde
- anders
als im obigen Fall nichtverheirateter Eltern, die Möglichkeit eines
Sorgerechtswechsels zum bindungstoleranten Elternteil wenigstens
angedacht wurde:
- OLG
Frankfurt vom 26.10.2000 unter Az. 6 WF 168/00 :
,,Es besteht
keine gesetzliche Grundlage für die Erzwingung der Teilnahme an einer
Begutachtung in Sorge- und Umgangsrechtsverfahren."
....... Der
Vorsitzende hat der Mutter zunächst die gegen sie sprechende Rechtslage
erläutert. Der Sachverständige hat sodann den Eltern angeboten, mit
ihnen ein ergebnisoffenes Mediationsverfahren durchzuführen. Die Mutter
hat jedoch diese Hilfe wie auch für sich und die Kinder jegliche
Beteiligung an einer gutachterlichen Beurteilung der anstehenden
Gesamtproblematik strikt abgelehnt. Der Sachverständige, ersichtlich
resigniert, konnte keine Erklärung für das uneinsichtige Verhalten der
Mutter finden. .
Die
rechtliche Beurteilung des gegenwärtigen Verfahrensstandes führt nun
dazu, daß die Androhung eines Zwangsgeldes zur Erzwingung der Teilnahme
von Mutter und Kindern an einer Begutachtung ersatzlos aufzuheben ist,
weil unter Zugrundelegung der Verfahrensordnungen FGG und ZPO keine
gesetzliche Ermächtigungsgrundlage ersichtlich ist, die die
Begutachtung der Verfahrensbeteiligten in Sorgerechts- und
Umgangsrechtssachen ermöglicht. Dieser in Literatur und Judikatur
herrschenden Auffassung (vgl. etwa OLG Ffm, 2. Familiensenat in FF
2000, 176; OLG Koblenz, FamRZ 2000, 1233) vermag der Senat keine
Argumente entgegenzusetzen.....
,,Zur
"Beruhigung“ des Vaters und als letztmaligen Appell des Senats an die
Mutter mögen die nachfolgenden Hinweise dienen:" .......
Es folgen Hinweise auf das Urteil des Europ. Gerichtshofs für
Menschenrechte vom 13.07.2000 (Elsholz
gegen Deutschland) und das Parental
Alienation Syndrom und schließlich:
.,,wird
das Amtsgericht nunmehr zu prüfen haben, ob nicht von Amts wegen oder
auf Antrag des Vaters, der sich zur Übernahme des alleinigen
Sorgerechts bereit erklärt hat, der Mutter das Sorgerecht gemäß §1666 BGB zu
entziehen sein wird. Nach dem Eindruck, den der Vater im Termin
hinterlassen hat, ist davon auszugehen, daß er das Umgangsrecht der
Mutter uneingeschränkt gewährleisten wird."
- OLG Stuttgart, Beschluss
vom 10.
Januar 2007 -17 UF 190/06: Betreuter Umgang; keine Verpflichtung der
Eltern zu Therapiegesprächen, § 1684 BGB. ZKJ 7/8 2007. S.
321-322.
Eine
gesetzliche Grundlage für die gerichtliche Anordnung einer
verpflichtenden Teilnahme der Eltern an Beratungs- oder
Therapiegesprächen kennt das geltende Recht nicht (Leitsatz der
Redaktion).
Es war vor Gericht betreuter Umgang vereinbart worden, zu dem es aber
nie kam. Auf Anregung des Jugendamtes wurde daraufhin ein
Sachverständigengutachten eingeholt. Dieses befürwortete den
Umgang des Kindes mit dem Vater, der daraufhin die Anordnung eines
betreuten Umgangs beantragte, die Mutter dagegen den Umgangsauschluss.
Das Familiengericht ordnete den begleitenden Umgang an, mit der Auflage
der zusätzlichen Einzelberatung jeden Elternteils. Hingewiesen wird vom
OLG bei der Aufhebung dieses Urteils auf eine Reihe von OLG
Entscheidungen und eine BVerG Entscheidung (FamRZ 2004,
523), wonach das Gericht aus § 1684 Abs. 2, Abs.3 S. 2 BGB keine
Befugnis zur Anordnung von Beratungsgesprächen habe. ,,Das
Fehlen einer gesetzlichen Anordnungsermächtigung ist jedenfalls solange
zu akzeptieren, bis möglicherweise in der angedachten Reform des
Familienverfahrensgesetzes eine entsprechende Anordnungsbefugnis der
Familiengerichte ausdrücklich gesetzlich geregelt werden könnte."
VfK Anm: das ist aber im jetzt verabschiedeten Gesetzesentwurf leider
auch nicht vorgesehen, sondern außer bloßen Hinweisen auf bestehende
Beratungs- / Mediationsangebote, allenfalls eine Auswirkung auf die
Verteilung der Gerichtskosten, nach der Weigerung ein solches Angebot
wahrzunehmen.
- OLG Nürnberg, Beschluss vom
6.
März 2006 -9 WF 1546/05: Keine
zwangsweise Bertatung der Eltern. ZKJ 7/8 2007, S. 322-323.
Das
Familiengericht ist nicht berechtigt, anzuordnen, dass die Eltern an
gemeinsamen therapeutischen Gesprächen bei der Erziehungs- und
Jugendberatung mit dem Ziel der Anbahnung einer Umgangsregelung
teilzunehmen haben (Leitsatz der Redaktion).
Das AG hatte eine solche Beratung, sogar mit Zwangsgeldandrohung
angeordnet, nachdem eine Einigung auf Begleitung durch einen
Dipl. Psychologen an finanziellen Problemen gescheitert war.
Dagegen wandte sich die nichteheliche Mutter. Die Anordnung wurde
vom OLG aufgehoben, weil nicht auf erhebliche Weise in das
Persönlichkeitsrecht eingegriffen werden könne, obwohl nach §1684 Abs2.
2. BGB eine Wohlverhaltenspflicht der Eltern besteht. ,,Ob
eine familiengerichtliche Regelungskompetenz besteht, ist in der
Rechtssprechung umstritten. Zum Teil wird die Anordnung der Teilnahme
der Eltern an psychologisch-pädagogischen Hilfemaßnahmen bzw. einer
Familientherapie als zulässige und sinnvolle Naßnahme angesehen .. Nach
der Gegenmeinung ist das Gericht nicht befugt, auf diese Weise auf die
Beteiligten einzuwirken...". Dieser Auffassung ist auch der Senat.
Es werden eine ganze Reihe von Entscheidungen für beide
Meinungen angeführt. ,,Darüber
hinaus spricht die Stellung der Norm dafür, dass die
Anordnungsbefugnis sich auf Maßnahmen zurr Verwirklichung einer nach §
1684 Abs.3. Satz 1 BGB getroffenen Umgangsregelung bezieht und nicht
dazu dienen soll, eine künftige Umgangsregelung vorzubereiten."
[Anm.: wie es das Ziel einer vom Gericht mitgetragenen
lösungsorientierten Diagnostik wäre]
- Zur
Ablehnung eines Sachverständigen, OLG Brandenburg, Beschluss vom
20. Oktober 2004, 15 WF 372/04. ZKJ 7/8 2007, S. 325.
Der
Senat vertritt die Rechtsauffassung, dass § 406 ZPO, der die Ablehnung
eines Sachverständigen im Zivilprozess regelt, im Verfahren der
freiwilligen Gerichtsbarkeit nicht, auch nicht entsprechend anwendbar
ist, dass also eine Ablehnung von Sachverständigen im FGG Verfahren
nicht stattfinet. Dies folgt daraus, dass das FGG-Verfahren in Bezug
auf die Sachverhaltsaufklärung durch das Gericht grundsätzlich andere
Struktur aufweist als der Zvilprozess.
Erheblich Zweifel an der
Richtigkeit
der Gutachten seien bei der
Sachentscheidung zu berücksichtigen bzw. von Amts wegen weitere
Ermitllungen durchzuführen,
,, Im
Einzelfall, nämlich wenn die Bedenken gegen die Unvoreingenommenheit
des Sachverständigen nicht von der Hand zu weisen sind, kann dies auch
ohne einen besonderen Antrag eines der Beteiligten dazu führen, dass
der Richter nach pflichtgemäßen Ermessen gehalten ist, das Gutachten
überhaupt nicht zu verwerten, sondern ggf. von Amts wegen ein weiteres
Sachverständigengutachten einzuholen. Tut er das nicht, kann dies die
Fehlerhaftigkeit der Sachentscheidung zur Folge haben, so dass sie
ggfs. im Rechtsmittelverfahren aufzuheben ist".
Vgl. dazu die grundsätzliche andere Praxis in
anderen Staaten,
auch in Familiengerichtsverfahren, mit dem selbstverständlichen Recht
der Beteiligten, Gutachten zu beantragen, eigene Sachverständige
beizubringen und diese Kreuzverhöre duchführen zu lassen (wobei
zugegebenermaßen durch ein solches adversatorisaches Verfahren
allerdings auch die Gefahr bestehen kann, dass der Konflikt noch weiter
eskaliert). Wichtig kann es aber auch hierzulande sein, wenigstens zu
versuchen, zu gerichtlich beauftragten Gutachten sorgsam Stellung zu
nehmen, falls dazu die Gelegenheit geboten wird, und das selbst
auf die Gefahr hin, dass auch sehr qualifizierte Stellungnahmen und
Privatgutachten unbeachtet bleiben. Vielleicht beachtet sie
wenigstens die nächste Instanz, entsprechend obigem Beschluss.
Zum Thema Privatgutachten:
Gerichtliche
Gutachten und Privatgutachten:
Es kommt häufig vor, dass Betroffene mit der gerichtlichen
Bestellung von Sachverständigen nicht einverstanden sind, oder
spätestens mit dem
Result der Begutachtung. Die Frage, wie man die Auswahl von
Gutachtern beeinflussen könne, hat ein erfahrener Anwalt einmal etwas
sarkastisch
so beantwortet: Man schlage dem Gericht diejenigen Sachverständigenvor,
von denen man sicher sein möchte, dass sie abgelehnt werden. Von
der Möglichkeit einer Stellungnahme zum erstellten Gutachten sollte
man jedenfalls sorgfältig Gebrauch machen. Das kann auch durch ein
selbst
beauftragtes Privatgutachten geschehen, wobei aber immer noch
große Unsicherheit darüber herrscht inwieweit ein solches vom Gericht
beachtet werden muss. Dass das Gericht ein Privatgutachten beachten
und den Einwänden darin ernsthaft nachgehen muss, hat jetzt der
Bundesgerichtshof (im Zusammenhang mit einer Klage auf Leistung
aus einer Berufsunfähigkeitsversicherung) sehr deutlich herausgestellt:
BGH, Beschluss
IV ZR 190/08 vom 12.1.2011 (pdf Datei, 9 Seiten):
.... Legt
eine Partei ein medizinisches Gutachten vor, das im Gegensatz zu
den Erkenntnissen des gerichtlich bestellten Sachverständigen steht, so
ist
vom Tatrichter besondere Sorgfalt gefordert. Er darf in diesem Fall -
wie auch im Fall sich widersprechender Gutachten zweier
gerichtlich bestellter Sachverständiger - den Streit
der Sachverständigen
nicht dadurch entscheiden, dass er ohne einleuchtende und
logisch nachvollziehbare Begründung einem von ihnen den Vorzug gibt
(ständige
Rechtsprechung, vgl. Senatsbeschluss vom 18. Mai 2009 - IV ZR
57/08,VersR 2009, 975 Rn. 7 m.w.N.). Einwände, die sich aus einem
Privatgutachten gegen das Gutachten des gerichtlichen
Sachverständigenergeben,
muss das Gericht ernst nehmen, ihnen nachgehen und den
Sachverhalt weiter aufklären. Dazu kann es den Sachverständigen zu
einer
schriftlichen Ergänzung seines Gutachtens veranlassen.
Insbesondere bietet sich die mündliche Anhörung des gerichtlichen
Sachverständigen
gemäß § 411 Abs. 3 ZPO an. Ein Antrag der beweispflichtigen Partei
ist dazu nicht erforderlich (Senatsbeschluss vom 18. Mai 2009 aaO
m.w.N.).
Gegebenenfalls hat das Gericht den Sachverständigen
unter Gegenüberstellung mit dem Privatgutachter anzuhören, um dann
entscheiden zu können, wieweit es den Ausführungen des Sachverständigen
folgen
will (BGH, Urteil vom 14. April 1981 - VI ZR 264/79, VersR 1981,
576unter II 1 b). Wenn der gerichtlich bestellte Sachverständige weder
durch schriftliche Ergänzung seines Gutachtens noch im Rahmen seiner
Anhörung
die sich aus dem Privatgutachten ergebenden Einwendungen
auszuräumen vermag, muss der Tatrichter im Rahmen seiner Verpflichtung
zur
Sachaufklärung gemäß § 412 ZPO ein weiteres Gutachten
einholen (Senatsbeschluss vom 18. Mai 2009 aaO m.w.N.).
vgl. auch EGMR:
Privatgutachten muessen beachtet werden! sowie BGH-Urteile zur
Gutachtensproblematik (2002).
Unter
diesem Titel hat RA Dr. Koeppel eine beachtliche Sammung von Leitsätzen
zusammengestellt, angefangen mit den Feststellungen des
Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte in der Kindschaftsache Kutzner gegen Deutschand.
Auch wenn die übrigen Entscheidungen überwiegend medizinische
Privatgutachten betreffen, so sind diese Leitsätze doch so allgemein
gehalten, dass sie unmittelbar auch auch familiengerichtliche Verfahren
Anwendung haben sollten. Allein die Zahl und Art dieser Entscheidungen
unterstreicht auch die Beobachtung, dass Privatgutachten oder
ausführliche Stellungnahmen zu gerichtlich angeordneten Gutachten
hierzulande immer wieder einfach ignoriert werden oder Stellungnahmen
gar nicht erst zugelassen werden, etwa weil sich das
Familiengericht selbst ausreichende Sachkenntnis zuschreibt (vgl. z. B.
zu PAS), oder diese allein auf
Berichte eines Jugendamtes stützt. Ähnlich wie bei komplizierten
medizinischen Fragen, bei denen von vornherein feststeht, dass das
Gericht diese Sachkenntnis gar nicht besitzen kann, sondern auf
möglichst umfassende Beweiserhebung durch Sachverständige angewiesen
ist, gibt es sicher auch genügend Fälle vor Familiengerichten, die eine
über die übliche richterliche Anhörung
hinausgehende ausführliche Begutachtung des gesamten Familiensystems
erfordern. Die ausschließlichen Vorrechte des Gerichtes in unserer im
Gegensatz zum angelsächsischen adversary system inquisitorischen
Rechtsordnung bei der Ermittlung des Sachverhaltes und letztendlichen
Beweiswürdigung werden dabei überhaupt nicht in Frage gestellt.
Eine
andere wichtige, damit eng zusammenhängende Frage ist allerdings auch,
wie möglichst objektiv die Wissenschaflichkeit von Gutachten beurteilt
werden kann, vgl. dazu auch unsere Berichterstattung über eine Tagung
in Bad Boll, Dez. 1998, und die vor allem in den USA von Gerichten
angewandten Kriterien der
Wissenschaftlichlichkeit und damit Zulässigkeit von
Sachverständigenaussagen, wie der sog. Frye
Test, die dem Falsfikationsprinzip von Karl Popper
entsprechenden Kriterien des Supreme Courts im Falle Daubert v. Merrell Dow Pharmaceuticals,
oder die darauf basierenden Federal
Rules of Evidence.
Zu
einem Thema,
das leider in Hochkonfliktfällen als "ultimative Waffe" fast schon zum
Normalfall gehört:
Sexuelle
Missbrauchsanschuldigungen
und Glaubhaftigkeitsgutachten.
Bundesgerichtshof stellt Mindestanforderungen an
Glaubhaftigkeitsgutachten bei
Verdacht auf sexuellem Kindesmissbrauch auf.
Vgl. dazu auch das großes Aufsehen
erregende, spanned geschriebenen Buch von Sabine Rückert,
Unrecht im
Namen des Volkes. Ein Justizirrtum und
seine Folgen
(2007), über einen Fall der auf sehr dramatische Weise aufzeigt, wie
unkritisch solche Anschuldigungen von einem Helfersystem und selbst der
Strafjustiz aufgenommen werden können und welch fatale Folgen dies
hat.
Psychologie
im
Familienrecht. Bilanz und Neuorientierung. Evangelische Akademie Bad
Boll, 9. - 11. Dezember 1998
Teil 1, Teil 2.
WAS ERWARTET
DER
RECHTSANWALT VOM PSYCHOLOGISCHEN SACHVERSTÄNDIGEN
Dr. Peter Koeppel, München.
Vertrauensgrenzen
des psychologischen Gutachtens im Familienrechtsverfahren
Prof. Dr. rer.nat. Wolfgang Klenner, Oerlinghausen
IRA DANIEL TURKAT, PH.D., QUESTIONING THE
MENTAL HEALTH EXPERT'S CUSTODY REPORT,
AMERICAN JOURNAL OF FAMILY LAW, Vol 7, 175-179 (1993). Nützliche
Hinweise eines Psychologen für Stellungnahmen zu
Sorgerechtsgutachten.
Siehe auch Hinweise zu Gutachten im Zusammenhang mit weiteren
gerichtlichen Entscheidungen zu Sorge- und Umgangsrecht.
Hochkonfliktfälle bei denen das Parental Alienation Syndrome
angesprochen wird, oder die dafür charakteristischen
Verhaltensmuster zumindest besonders deutlich hervorgehoben wurden,
haben wir auch unter "Gerichtsbeschlüsse mit
Bezug auf PAS" zusammengefasst.
Zur
"Macht der Gutachter" in einem anderen Zusammenhang
(Strafverfahren wegen Bankraubes) und eines daraus folgenden
katastrophalen Fehlurteils vgl. Der Fall
Donald Stellwag, in dem nach
verschiedenen Berichten jetzt erstmals in Deutschland ein
gerichtlich beauftragter Sachverständiger wegen grober
Fahrlässigkeit zur Zahlung eines erheblichen Schmerzengeldes
(150.000€) verurteilt wurde: Oberlandesgericht Frankfurt am
Main, Urteil vom 2. Oktober 2007 -
Az: 19 U 8/2007. Pressemitteilung.
Mehr
Wird fortgesetzt.
Zur Homepage
von Väter für Kinder Impressum