Psychologische Gutachten im deutschen Kindschaftrecht.


Sorgerechtsgutachten | Glaubhaftigkeitsgutachen bei Missbrauchsanschuldigungen | Privatgutachten
    Bei gerichtlich angeordneter Begutachtung durch psychologische Sachverständige besteht im allgemeinen eine wesentlich höhere Bereitschaft beider Elternteile zur Kooperation als bei bloßen Hinweisen auf Beratungs- und Therapieangebote, weil sie ansonsten einen negativen Bericht an das Familiengericht befürchten müssen. Diese dem Psychologen durch das Gericht verliehene Autorität könnte deshalb auch wirksam zu Beratungs- und Therapiegesprächen für das gesamte Familiensystem eingesetzt werden, wovon z. B. in den USA, als der einzig wirksamen Methode, besonders in Hochkonfliktfällen, schon lange und sehr ausgiebig Gebrauch gemacht wird (vgl. z. B. Ward & Harvey, 1993; Johnston & Roseby, 1997). Vfk Logo

In Deutschland scheitert das bisher jedoch an der Gesetzeslage und einem vielfach dogmaartigen Festhalten daran, dass der gerichtliche Auftrag auf reine Statusdiagnostik zu beschränken sei, obwohl es in Kindschaftsangelegenheiten, anders als etwa bei Schadensersatzforderungen, in erster Linie auf eine tragfähige, langfristige Lösung ankommt. Erst allmählich und äußerst zaghaft beginnt sich auch in Deutschland, dank des beherzten Engagements einzelner Sachverständiger und Richter/innen, die Idee zu verbreiten, das teilweise sogar schon auch ganz innerhalb des bestehenden Gesetzesrahmens, die Macht des Gerichts dazu genutzt werden kann, unter seiner Aufsicht, durch Kooperation aller professionellen Trennungs-/ Scheidungsbegleiter eine möglichst einvernehmliche und damit am ehesten langfristige Lösung zu erreichen (vgl. z. B. Cochemer Praxis). Das FGG Reformgesetz, das Mitte 2009 in Kraft treten soll, trägt dem teilweise Rechnung, indem es auf die Möglichkeiten sog. lösungsorientierter Diagnostik, und vermehrt auch auf (bestehende) Beratungs- und  Mediationsangebote verweist, allerdings leider überwiegend nur in Form von bloßen Kann-Bestimmungen und ohne die Festlegung spezifischer und hoher Qualifikationsanforderungen an die professionellen Trennungs-/ Scheidungsbegleiter, wie sie anderswo üblich ist.

1.4.2011: Zur Verfassungswidrigkeit der einem Elternteil durch das Familiengericht auferlegten Fortsetzung einer Psychotherapie.
BVerfG, 1 BvR 1572/10 vom 1.12.2010, Absatz-Nr. (1 - 27), http://www.bverfg.de/entscheidungen/rk20101201_1bvr157210.html
Zeitschrift für Kindschaftsrecht und Jugendhilfe, ZKJ 2011(3), Seiten 98-100.
  Auch in Deutschland erlassen einzelne Familiengerichte von Zeit zu Zeit aus gut nachvollziehbaren Gründen Auflagen zur Inanspruchnahme einer Psychotherapie. Damit soll die Erziehungsfähigkeit des betreuenden Elternteils (oder beider Eltern) verbessert und so schwerwiegendere, auch das Kind erheblich belastende Maßnahmen, wie ein Sorgerechtsentzug wegen Kindeswohlgefährdung (§ 1666 BGB) vermieden werden. Reichlich Erfahrung aus dem Ausland zeigt, dass bloße Hinweise auf Beratungsangebote, wie sie das Reformgesetz FamFGvom 1.9.2009 vorsieht, in Fällen etwa von besonders hartnäckiger Umgangsvereitelung oder Eltern-Kind-Entfremdung jedoch nicht genügen,sondern dazu strikte gerichtliche Auflagen erforderlich sind, die notfalls auch mit allen zu Gebote stehenden Mitteln durchgesetzt werden müssen. In Deutschland dagegen mangelt es nicht nur an der Durchsetzung gerichtlicher Entscheidungen, sondern wurden bisher Auflagen zu einer Psychotherapie regelmässig von der Beschwerdeinstanz (OLG) "kassiert". Im vorliegenden Fall dagegen wurde vom OLG Frankfurt, Entscheidung vom 6.5.2010 (3 UF 350/08) der Beschwerdeführerin aufgetragen eine bereits begonnene Psychotherapie fortzusetzen und diese Auflage dann vom Bundesverfassungsgericht aufgehoben. Es lohnt sich wirklich die sehr ausführliche Begründung, auch mit umfangreichen Bezug auf frühere Entscheidungen, dieses Beschlusses zu lesen, nach der §1666 BGB etc keine Grundlage für die Anordnung einer Psychotherapie hergeben, auch wenn der vorliegende Fall einige Besonderheiten aufweist. So sah die Entscheidung des OLG vor, dass die vom Jugendamt geforderte Therapie bis zu einem Zeitpunkt fortzusetzen sei den ebenfalls das Jugendamt in Absprache mit dem Therapeuten bestimmen sollte. Das verletze, wie das BVerfG darlegt, wegen des bei einer Psychotherapie erforderlichen besonderen Vertrauensverhältnisses nicht nur das Persönlichkeitsrecht der Beschwerdeführerin, sondern möglicherweise auch die Schweigepflicht des Therapeuten nach §203 StGB. (Wir meinen übrigens auch, dass dies eine häufig zu findende Tendenz widerspiegelt, dass JugendamtsmitarbeiterInnen mit Aufgaben überfrachtet werden, für die sie als SozialarbeiterInnen / SozialpädagogInnen gar nicht ausgebildet wurden, auch z. B. wenn Stellungnahmen des Jugendamtes wie wissenschaftliche Gutachten behandelt werden.) Einigermaßen kurios dagegen ist, dass, wie Richter am OLG Dr. Stefan Heilmann in der ZKJ Fassung anmerkt, vom OLG wohl überhaupt gar keine Auflage erteilt wurde ihre eigene Therapie fortzusetzen, gegen die sich die Beschwerdeführerin dann an das BVerfG wandte, sondern die Auflage die Fortsetzung der Therapie ihrer Tochter betraf (bei der allerdings auch die sorgeberechtigte und betreuende Mutter normalerweise einbezogen würde, insbesondere auch weil ihr, wie im OLG Urteil ausführlich dargestellt, wegen Kindeswohlgefährdung / Erziehungsunfähigkeit das Sorgerecht über den jüngeren Sohn bereits entzogen worden war).

Das BVerfG weist zwar darauf hin, dass es den Gerichten weiterhin unbelassen bleibe Beratung / Psychotherapie vorzuschlagen und Konsequenzen bezüglich Erziehungsfähigkeit daraus zu ziehen, wenn diese Ratschäge nicht befolgt werden. Die Cochemer Praxis zeigt, dass eine solche Vorgangsweise durchaus auch erfolgreich sein kann, wenn als weitere wichtige Voraussetzungen alle Trennungs- / Scheidungsbegleiter eng mit dem selben Ziel zusammen arbeiten, aber auch ein Mindestmaß an Einsichtsfähigkeit bei den betreffenden Eltern noch vorhanden ist. Wenn diese Voraussetzungen jedoch nicht erfüllt sind, werden solche Fälle die Gerichte weiterhin beschäftigen, wahrscheinlich sogar bis das Kind endgültig "in den Brunnen gefallen ist". Erfahrungen, insbesondere mit neuen Programmen in den USA bei massiver Eltern-Kind-Entfremdung (Warshak et al, Ward et al) zeigen, dass auch solche Fälle erfolgreich mit einer speziellen Psychotherapie gelöst werden können, die allerdings unbedingt von strikten gerichtlichen Auflagen gestützt werden muss. Das betrifft auch die erforderliche Nachbetreuung. Auch daran fehlt es in Deutschland, obwohl es sehr zu begrüßen ist, dass das FamFG nun statt einer reinen Statusdiagnostik auch eine sog. lösungsorientierte Begutachtung ermöglicht. Aber nach der Begutachtungsphase und dem Urteil sind selbst hochkonflikthafte Eltern allein gelassen, bis sie mit einiger Wahrscheinlichkeit wegen fortgesetzter Konflikte wieder vor Gericht ziehen.
Klarerweise wäre auch bei Sorge - und Umgangsrechtkonflikten einer Prävention der Vorzug zu geben. Auch hier reichen die an sich positiven Ansätze des FamFG nicht aus, weil Beratung über die Scheidungsfolgen für Kinder, wie in den USA
seit Jahrzehnten erfolgreich praktiziert, als Scheidungsvoraussetzung verpflichtend sein sollte, aber auch genau definierte Qualitätsanforderungen erfüllen müsste. Exakt dasselbe gilt auch für die im FamFG begünstigte Mediation, obwohl Mediation per se auf Freiwilligkeit beruht. Aber ein Mediationsversuch erscheint uns zumutbar, bei dem etwa, wie in den USA, ein gemeinsamer Sorgeplan erarbeitet werden soll. Ausgenommen von dieser Verpflichtung werden auch in Staaten der USA als unzumutbar Fälle massiver häuslicher Gewalt. Obwohl frühe Feldversuche mit einer gerichtsnahen Mediation (z. B. Regensburg, 1991) auch von anfangs skeptischen Eltern durchwegs positiv aufgenommen wurden, werden solche Ansätze in Deutschland aus primär ideologischen Gründen leider immer noch sogar als "Zwangsberatung" bzw. "Zwangsmediation" abgetan. Vgl. dazu unseren früheren Bericht Beratung, Familienmediation und das FamFG.

Hier einige weitere Urteile, die die gegenwärtige Lage und Hilflosigkeit, besonders in Hochkonfliktfällen verdeutlichen. Gerichtliche Anordnungen, selbst die zu einer Begutachtung, wie im nachfolgenden Fall u.ä., werden, weil fast risikolos (und das erst recht  bei nicht verheirateten Eltern, bei denen eine allein sorgeberechtigte, hartnäckig das Umgangsrecht des Kindes und Vaters boykottierende Mutter derzeit auch nicht einmal mit der Androhung eines Sorgerechtswechsels zu rechnen hat) einfach ignoriert, wie die folgenden Beispiele und zahllose andere verdeutlichen. Nicht selten bleibt es selbst nach Jahren, nachdem schon längst mit großer Wahrscheinlichkeit ein "point of no return" erreicht wurde, mit bleibendem Schaden für das Kind und die Eltern-Kind-Beziehung, immer noch bei bloßen richterlichen Appellen an den den Umgang boykottierenden Elternteil, obwohl Einsicht dann erfahrungsgemäß nicht mehr zu erwarten ist. Oder es wird zum "Wunderrmittel" einer Aussetzung des Umgangs gegriffen, das zwar die Entfremdung weiter verfestigt, aber schließlich durch Resignation des ausgegrenzten Elternteils oder Zeitablauf (Volljährigkeit) doch zu einer "Erledigung" der "Kindschaftssache" führt.           Vgl. dagegen: Der Zwischenentscheidung des OLG  Rostock geht eine lange Historie beharrlicher Umgangsvereitelung voraus, die mit dem Umzug der Mutter Anfang November 1999, ohne Information des Vaters (das wäre z. B. in Frankreich allein schon mit erheblichen Strafen verbunden, mit einer Verdreifachung des Strafmaßes, wenn der Umgangsberechtigte über fünf Tage über den Aufenthaltsort des Kindes im Unklaren gelassen wird. Vorliegend war die Mutter selbst der Aufforderung des Senats ihre neue Anschrift mitzuteilen nicht nachgekommen!) komplett wurde. Eingesetzt wurde von der Mutter das gesamte Register der in solchen Fällen bekannten Verhaltensmuster wie: Missachtung gerichtlicher Anordnungen; Verweigerung eines Kontaktes zwischen Kind und bestellten Verfahrenspfleger, Befangenheitsanträge gegen Sachverständige, etc. und was in solchen Hochkonfliktfällen fast Standard ist, einschließlich sexueller Missbrauchsvorwürfe, aber bis heute bei gleichzeitiger Verweigerung eines aussagepsychologischen Gutachtens, jedoch begleitet von stark suggestiven Befragungen im Rahmen einer "Therapie " des Kindes durch 2 Psychotherapeutinnen. Die Annahme, dass das Kind auf Grund dieser langen und massiven Beeinflussung einen Umgang mit dem Vater heftig und auch beharrlich ablehnen würde,  lag daher nahe.

Von diesen Umständen offenbar frustriert, hatte der Senat mit Beschluss vom 28.1.2004 den Umgang bis zum 31.12.2007  (4 Jahre!!) ausgesetzt, mit der Verpflichtung der Mutter zur schriftlichen Information über die Entwicklung des Kindes, was wahrscheinlich ebenfalls den in solchen Fällen erfahrungsgemäß zu erwartenden "Erfolg" gehabt hätte, wenn das Bundesverfassungsgericht den Beschluss des OLG nicht mit sehr deutlichen Worten zur Bedeutung des Umgangsrechts aufgehoben hätte:
 BVerfG, 1 BvR 487/04 vom 9. 6. 2004, Absatz-Nr. (1 - 20), http://www.bverfg.de/entscheidungen/rk20040609_1bvr048704.htm.

Über die Anhörung des jetzt 10 jährigen Kindes durch denselben Senat am 17.3.2006 wird in der Zwischenentscheidung berichtet:
... dass das Kind verbal, wie bisher, den Umgang mit ihrem Vater ablehne, weil -so sinngemäß- sie das nicht will, Mutti das nicht will, sie beide das nicht wollen; zugleich aber durchaus hellhörig wurde und es nicht glauben wollte bzw. konnte, dass der Vater den Kontakt zu ihr wünscht.  ....
Ein ganz ähnlicher Fall, mit den gleichen Verhaltensmustern des beharrlich Umgang verweigernden Elternteils und einer ganz ähnlichen Hilflosigkeit der Gerichte findet sich im folgenden Beschluss, mit dem Unterschied allerdings, dass
  1.  keine gesetzliche Grundlage für die Erzwingung der Teilnahme an einer psychologischen Begutachtung gesehen wurde
  2.  anders als im obigen Fall nichtverheirateter Eltern, die Möglichkeit eines Sorgerechtswechsels zum bindungstoleranten Elternteil wenigstens angedacht wurde:
Erheblich Zweifel an der Richtigkeit der Gutachten seien bei der Sachentscheidung zu berücksichtigen bzw. von Amts wegen weitere Ermitllungen durchzuführen,
,, Im Einzelfall, nämlich wenn die Bedenken gegen die Unvoreingenommenheit des Sachverständigen nicht von der Hand zu weisen sind, kann dies auch ohne einen besonderen Antrag eines der Beteiligten dazu führen, dass der Richter nach pflichtgemäßen Ermessen gehalten ist, das Gutachten überhaupt nicht zu verwerten, sondern ggf. von Amts wegen ein weiteres Sachverständigengutachten einzuholen. Tut er das nicht, kann dies die Fehlerhaftigkeit der Sachentscheidung zur Folge haben, so dass sie ggfs. im Rechtsmittelverfahren aufzuheben ist".
Vgl. dazu die grundsätzliche andere Praxis in anderen Staaten, auch in Familiengerichtsverfahren, mit dem selbstverständlichen Recht der Beteiligten, Gutachten zu beantragen, eigene Sachverständige beizubringen und diese Kreuzverhöre duchführen zu lassen (wobei zugegebenermaßen durch ein solches adversatorisaches Verfahren allerdings auch die Gefahr bestehen kann, dass der Konflikt noch weiter eskaliert). Wichtig kann es aber auch hierzulande sein, wenigstens zu versuchen, zu gerichtlich beauftragten Gutachten sorgsam Stellung zu nehmen, falls dazu die Gelegenheit geboten wird, und das selbst auf die Gefahr hin, dass auch sehr qualifizierte Stellungnahmen und Privatgutachten unbeachtet bleiben. Vielleicht beachtet sie wenigstens die nächste Instanz, entsprechend obigem Beschluss.

Zum Thema Privatgutachten:
Gerichtliche Gutachten und Privatgutachten: Es kommt häufig vor, dass Betroffene mit der gerichtlichen Bestellung von Sachverständigen nicht einverstanden sind, oder spätestens mit dem Result der Begutachtung. Die Frage, wie man die Auswahl von Gutachtern beeinflussen könne, hat ein erfahrener Anwalt einmal etwas sarkastisch so beantwortet: Man schlage dem Gericht diejenigen Sachverständigenvor, von denen man sicher sein möchte, dass sie abgelehnt werden. Von der Möglichkeit einer Stellungnahme zum erstellten Gutachten sollte man jedenfalls sorgfältig Gebrauch machen. Das kann auch durch ein selbst beauftragtes Privatgutachten geschehen, wobei aber immer noch große Unsicherheit darüber herrscht inwieweit ein solches vom Gericht beachtet werden muss. Dass das Gericht ein Privatgutachten beachten und den Einwänden darin ernsthaft nachgehen muss, hat jetzt der Bundesgerichtshof (im Zusammenhang mit einer Klage auf Leistung aus einer Berufsunfähigkeitsversicherung) sehr deutlich herausgestellt: BGH, Beschluss IV ZR 190/08 vom 12.1.2011 (pdf Datei, 9 Seiten):

.... Legt eine Partei ein medizinisches Gutachten vor, das im Gegensatz zu den Erkenntnissen des gerichtlich bestellten Sachverständigen steht, so ist vom Tatrichter besondere Sorgfalt gefordert. Er darf in diesem Fall - wie auch im Fall sich widersprechender Gutachten zweier gerichtlich bestellter Sachverständiger - den Streit der Sachverständigen nicht dadurch entscheiden, dass er ohne einleuchtende und logisch nachvollziehbare Begründung einem von ihnen den Vorzug gibt (ständige Rechtsprechung, vgl. Senatsbeschluss vom 18. Mai 2009 - IV ZR 57/08,VersR 2009, 975 Rn. 7 m.w.N.). Einwände, die sich aus einem Privatgutachten gegen das Gutachten des gerichtlichen Sachverständigenergeben, muss das Gericht ernst nehmen, ihnen nachgehen und den Sachverhalt weiter aufklären. Dazu kann es den Sachverständigen zu einer schriftlichen Ergänzung seines Gutachtens veranlassen. Insbesondere bietet sich die mündliche Anhörung des gerichtlichen Sachverständigen gemäß § 411 Abs. 3 ZPO an. Ein Antrag der beweispflichtigen Partei ist dazu nicht erforderlich (Senatsbeschluss vom 18. Mai 2009 aaO m.w.N.). Gegebenenfalls hat das Gericht den Sachverständigen unter Gegenüberstellung mit dem Privatgutachter anzuhören, um dann entscheiden zu können, wieweit es den Ausführungen des Sachverständigen folgen will (BGH, Urteil vom 14. April 1981 - VI ZR 264/79, VersR 1981, 576unter II 1 b). Wenn der gerichtlich bestellte Sachverständige weder durch schriftliche Ergänzung seines Gutachtens noch im Rahmen seiner Anhörung die sich aus dem Privatgutachten ergebenden Einwendungen auszuräumen vermag, muss der Tatrichter im Rahmen seiner Verpflichtung zur Sachaufklärung gemäß § 412 ZPO ein weiteres Gutachten einholen (Senatsbeschluss vom 18. Mai 2009 aaO m.w.N.).

 
vgl. auch EGMR: Privatgutachten muessen beachtet werden! sowie BGH-Urteile zur Gutachtensproblematik (2002).  

Unter diesem Titel hat RA Dr. Koeppel eine beachtliche Sammung von Leitsätzen zusammengestellt, angefangen mit den Feststellungen des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte in der Kindschaftsache Kutzner gegen Deutschand. Auch wenn die übrigen Entscheidungen überwiegend medizinische Privatgutachten betreffen, so sind diese Leitsätze doch so allgemein gehalten, dass sie unmittelbar auch auch familiengerichtliche Verfahren Anwendung haben sollten. Allein die Zahl und Art dieser Entscheidungen unterstreicht auch die Beobachtung, dass Privatgutachten oder ausführliche Stellungnahmen zu gerichtlich angeordneten Gutachten hierzulande immer wieder einfach ignoriert werden oder Stellungnahmen gar nicht erst  zugelassen werden, etwa weil sich das Familiengericht selbst ausreichende Sachkenntnis zuschreibt (vgl. z. B. zu PAS), oder diese allein auf Berichte eines Jugendamtes stützt. Ähnlich wie bei komplizierten medizinischen Fragen, bei denen von vornherein feststeht, dass das Gericht diese Sachkenntnis gar nicht besitzen kann, sondern auf möglichst umfassende Beweiserhebung durch Sachverständige angewiesen ist, gibt es sicher auch genügend Fälle vor Familiengerichten, die eine über die übliche richterliche Anhörung hinausgehende ausführliche Begutachtung des gesamten Familiensystems erfordern. Die ausschließlichen Vorrechte des Gerichtes in unserer im Gegensatz zum angelsächsischen adversary system inquisitorischen Rechtsordnung bei der Ermittlung des Sachverhaltes und letztendlichen Beweiswürdigung werden dabei überhaupt nicht in Frage gestellt.

Eine andere wichtige, damit eng zusammenhängende Frage ist allerdings auch, wie möglichst objektiv die Wissenschaflichkeit von Gutachten beurteilt werden kann, vgl. dazu auch unsere Berichterstattung über eine Tagung in Bad Boll, Dez. 1998, und die vor allem in den USA von Gerichten angewandten Kriterien der Wissenschaftlichlichkeit und damit Zulässigkeit von Sachverständigenaussagen, wie der sog. Frye Test, die dem Falsfikationsprinzip von Karl Popper entsprechenden Kriterien des Supreme Courts im Falle Daubert v. Merrell Dow Pharmaceuticals, oder die darauf basierenden Federal Rules of Evidence.

Zu einem Thema, das leider in Hochkonfliktfällen als "ultimative Waffe" fast schon zum Normalfall gehört:   Sexuelle Missbrauchsanschuldigungen und Glaubhaftigkeitsgutachten.  
Bundesgerichtshof stellt Mindestanforderungen an Glaubhaftigkeitsgutachten bei Verdacht auf sexuellem Kindesmissbrauch auf.
Vgl. dazu auch das großes Aufsehen erregende, spanned geschriebenen Buch von Sabine Rückert,  Unrecht im Namen des Volkes. Ein Justizirrtum und seine Folgen (2007), über einen Fall der auf sehr dramatische Weise aufzeigt, wie unkritisch solche Anschuldigungen von einem Helfersystem und selbst der Strafjustiz aufgenommen werden können und welch fatale Folgen dies hat.   Psychologie im Familienrecht. Bilanz und Neuorientierung. Evangelische Akademie Bad Boll, 9. - 11. Dezember 1998
Teil 1, Teil 2.

WAS ERWARTET DER RECHTSANWALT VOM PSYCHOLOGISCHEN SACHVERSTÄNDIGEN
Dr. Peter Koeppel, München.

Vertrauensgrenzen des psychologischen Gutachtens im Familienrechtsverfahren
Prof. Dr. rer.nat. Wolfgang Klenner, Oerlinghausen
 
IRA DANIEL TURKAT, PH.D.,  QUESTIONING THE MENTAL HEALTH EXPERT'S CUSTODY REPORT,  AMERICAN JOURNAL OF FAMILY LAW, Vol 7, 175-179 (1993).  Nützliche Hinweise eines Psychologen für Stellungnahmen zu Sorgerechtsgutachten. 

Siehe auch Hinweise zu Gutachten im Zusammenhang mit weiteren gerichtlichen Entscheidungen zu Sorge- und Umgangsrecht. Hochkonfliktfälle bei denen das Parental Alienation Syndrome angesprochen wird, oder die dafür charakteristischen Verhaltensmuster zumindest besonders deutlich hervorgehoben wurden, haben wir auch unter "Gerichtsbeschlüsse mit Bezug auf PAS" zusammengefasst.

Zur "Macht der Gutachter" in einem anderen Zusammenhang (Strafverfahren wegen Bankraubes) und eines daraus folgenden katastrophalen Fehlurteils vgl. Der Fall Donald Stellwag,  in dem  nach verschiedenen Berichten jetzt erstmals in Deutschland ein gerichtlich beauftragter Sachverständiger wegen grober Fahrlässigkeit zur Zahlung eines erheblichen Schmerzengeldes (150.000€) verurteilt wurde: Oberlandesgericht Frankfurt am Main, Urteil vom 2. Oktober 2007 - Az: 19 U 8/2007.  Pressemitteilung.  Mehr


Wird fortgesetzt.

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