Spätestens dann, wenn es zu einer Trennung / Scheidung kommt und minderjährige Kinder vorhanden sind wird man Bekanntschaft mit dem Jugendamt machen. Nach § 49a FGG gilt nämlich:
(1) Das Familiengericht hört das Jugendamt vor einer Entscheidung nach folgenden Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs:
1. Befreiung vom Erfordernis der Volljährigkeit (§ 1303 Abs. 2),
2. Ersetzung der Zustimmung zur Bestätigung der Ehe (§ 1315 Abs. 1 Satz 3 zweiter Halbsatz),
3. Übertragung von Angelegenheiten der elterlichen Sorge auf die Pflegeperson § 1630 Abs. 3),
4. Unterstützung der Eltern bei der Ausübung der Personensorge (§ 1631 Abs. 3),
5. Unterbringung, die mit Freiheitsentziehung verbunden ist (§§ 1631b, 1800,1915),
6. Herausgabe des Kindes, Wegnahme von der Pflegeperson (§ 1632 Abs. 1, 4)oder von dem Ehegatten oder Umgangsberechtigten (§ 1682),
7. Umgang mit dem Kind (§ 1632 Abs. 2, §§ 1684, 1685),
8. Gefährdung des Kindeswohls (§ 1666),
9. Sorge bei Getrenntleben der Eltern (§§ 1671, 1672 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs, Artikel 224 § 2 Abs. 3 des Einführungsgesetzes zum
Bürgerlichen Gesetzbuche),
10. Ruhen der elterlichen Sorge (§ 1678 Abs. 2),
11. elterliche Sorge nach Tod eines Elternteils (§ 1680 Abs. 2, § 1681),
12. elterliche Sorge nach Entziehung (§ 1680 Abs. 3).
(2) Das Familiengericht soll das Jugendamt in Verfahren über die Überlassung der Ehewohnung (§ 1361b des Bürgerlichen Gesetzbuchs) oder nach § 2 des Gewaltschutzgesetzes vor einer ablehnenden Entscheidung
anhören, wenn Kinder im Haushalt der Beteiligten leben.
(3) § 49 Abs. 3 und 4 gilt entsprechend.
Nach § 49 FGG gilt ferner:
(1) Das Vormundschaftsgericht hört das Jugendamt vor einer Entscheidung nach folgenden Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs:
1. Annahme als Kind (§ 1741), sofern das Jugendamt nicht eine gutachtliche Äußerung nach § 56d abgegeben hat,
2. Ersetzung der Einwilligung eines Elternteils in die Annahme als Kind (§ 1748),
3. Aufhebung des Annahmeverhältnisses (§§ 1760 und 1763),
4. Rückübertragung der elterlichen Sorge (§ 1751 Abs. 3, § 1764 Abs. 4).
(2) In den Fällen des § 11 Abs. 1 Nr. 2 und 3 des Adoptionsvermittlungsgesetzes hört das Vormundschaftsgericht vor dem Ausspruch der Annahme außerdem die zentrale Adoptionsstelle des Landesjugendamts,
die nach § 11 Abs. 2 des Adoptionsvermittlungsgesetzes beteiligt worden ist. Ist eine zentrale Adoptionsstelle nicht beteiligt worden, so tritt an seine Stelle das Landesjugendamt, in dessen Bereich
das Jugendamt liegt, das nach Absatz 1 Gelegenheit zur Äußerung erhält oder das eine gutachtliche Äußerung nach § 56d abgegeben hat.
(3) Dem Jugendamt und dem Landesjugendamt sind alle Entscheidungen des Gerichts bekannt zu machen, zu denen sie nach dieser Vorschrift zu hören waren.
(4) Bei Gefahr im Verzuge kann das Vormundschaftsgericht einstweilige Anordnungen schon vor Anhörung des Jugendamts treffen. Die Anhörung ist unverzüglich nachzuholen.
Das Jugendamt kann auch mit der Durchführung eines begleiteten Umgangs betraut werden. Auch eine Übertragung des Sorgerechts oder Teilen davon auf das Jugendamt kann erfolgen.
Entsprechend § 613 ZPO und §52 FGG weist das Familiengericht in Kindschaftssachen auf die Beratungsmöglichkeit durch das Jugendamt und Beratungsstellen hin, bzw. kann es das Jugendamt in einem Vermittlungsverfahren zum Umgang nach §52a FGG beiziehen.
Die Arbeit der Jugendämter ist im Kinder- und Jugendhilfegesetz (SGB VIII) geregelt, der Datenschutz in SGB X. Es gibt verschiedene Webseiten auf denen diese Gesetzestexte online zu finden sind, z. B. BMFSFJ/juris.
Trennung / Scheidung betreffende Beratung ist in §§ 17, 18 SGB VIII geregelt, die entsprechende Mitwirkung bei Gericht in § 50 SGB VIII.
Die Inobhutnahme / Herausnahme von Kindern regeln §§ 42, 43 SGB VIII. Dabei ist aber, wenn der Personensorgeberechtigte nicht zustimmt, unverzüglich das Gericht anzurufen. Die Zulässigkeit der Trennung des Kindes von den Eltern und des Entzugs des Sorgerechts ist in §1666a BGB geregelt. Das Gericht hat länger andauernde Maßnahmen nach §§ 1666, 1667 BGB in angemessenen Zeitabständen zu überprüfen und ggfs. zu ändern bzw. aufzuheben, wenn eine Gefahr für das Kind nicht mehr besteht (§ 1696 BGB). Zum Pflegekinderwesen vgl. auch unsere Zusammenfassung von weiteren Bestimmungen aus SGB und BGB, sowie unseren Bericht anlässlich einer Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte gegen Deutschland in einem Pflegekind / Adoptionsfall.
Aus SGB VIII geht auch hervor, dass den Jugendämtern eine große Zahl weiterer Aufgaben übertragen wurde. Sie sind in §2 SGB VIII zusammen gefasst. Darunter ist auch die Durchführung zahlreicher Hilfemaßnahmen für Familien, Kinder und Jugendliche auf die wir auch ausdrücklich hinweisen möchten, gerade weil sie anders als die oft erwähnten Fehlleistungen kaum in Presseberichten, Gerichtsurteilen etc. auftauchen.
Das Sozialgesetzbuch VIII erfuhr durch das am 1.10.2005 in Kraft getretene Kinder- und Jugendhilfeweiterentwicklungsgesetz - KICK - (pdf Datei, 13 Seiten) Änderungen und Erweiterungen, im Vergleich zur bisherigen Fassung im Detail dargestellt z. B. vom Landesjugendamt Münster, einschließlich der Begründungen (pdf Datei, 123 Seiten).-------
Der angeführten Machtfülle des Jugendamtes, die es so in anderen Staaten nicht gibt, stehen allerdings erhebliche Mängel gegenüber:
(1) Zum einen wird von dieser Macht nicht ausreichend Gebrauch gemacht: Christine Knappert (Allgemeiner Sozialdienst, Bad Salzuflen) beschreibt das Problem des Beratungsangebots bzw. der Berichterstattung an das Familiengericht sehr ausführlich in:
Die Machtinstanz ,,Sorgerechtsbesitzer" kann aufgrund ihrer Machtüberlegenheit ihre Maßnahmen gegen den Willen des ,,Nichtsorgerechtsbesitzers" durchsetzen, ja sogar gerade durch Verweigerung gemeinsamer Beratungsgespräche und jeder sonstigen Kooperation ein alleiniges Sorgerecht erlangen, selbst nach der Reform von 1998, nach der über das Sorgerecht nach Ehescheidung nur noch auf Antrag entschieden wird. Für die Ausübung des Umgangsrecht gilt leider das gleiche, weil ein Umgangsboykott in Deutschland ebenfalls kaum zu Sanktionen führt, ja nicht allzu selten sogar mit einer Aussetzung des Umgangsrechts (,,Kind muss zur Ruhe kommen") "belohnt" wird. Zu dieser Haltung der Familiengerichte kommt, dass es in Deutschland nach wie vor keinerlei Verpflichtung zu einer Beratung, Mediation, oder gar Therapie gibt, wie das anderswo, z. B. in vielen Staaten der USA seit langem der Fall ist. Trotzdem würde eine einfache, ohne weiteres durchführbare Maßnahme des Jugendamtes, wie sie Jopt (Kind Prax 2/98 S. 46- 49) schon lange angemahnt hat, seine Wirkung nicht ganz verfehlen: In der Stellungnahme des Jugendamtes für das Familiengericht sollte zumindest mitgeteilt werden, wer ein Beratungsgespräch boykottiert hat. Wenn ein psychologisches Fachgutachten vom Gericht in Auftrag gegeben wird ist nämlich die Kooperation der Eltern schon allein deshalb weit besser, weil sie sonst einen für sie kritischen Bericht an das Gericht befürchten müssen. Bei einem Fachgutachten ist es normalerweise auch als "Kunstfehler" anzusehen, wenn verabsäumt wird die Wechselwirkung der Eltern untereinander und mit den Kindern, insbesondere auch des Nichtwohnelternteils mit den Kindern, zu beobachten. Bei den Berichten des Jugendamtes wird dagegen ohne weiteres akzeptiert, wenn es nur getrennte Anhörungen, oder "SorgerechtsbesitzerIN" nur gemeinsam mit den Kindern, gab. Auch bei der richterlichen Anhörung wird allgemein nicht auch die Wechselwirkung Elternteil-Kind beobachtet.
(2) Auf einer etwas anderen Ebene, aber damit zusammenhängend, liegt die kritische Frage, ob die Stellungnahmen der Jugendämter überhaupt zu Recht den Stellenwert einnehmen der ihnen in der deutschen Familiengerichtspraxis zugeschrieben wird, wenn weder die JugendamtsmitarbeiterInnen noch die Familienrichter über eine entsprechende wissenschaftliche, kinderpsychologische Ausbildung verfügen. Nicht selten werden die Stellungnahmen des Jugendamtes ja wie Gutachten behandelt, oder ersetzen diese, obwohl sie meist weit davon entfernt sind den wissenschaftlichen Kriterien die an ein Fachgutachten zu stellen sind zu genügen. Wenn diese Stellungnahmen dennoch für beide Eltern akzeptable Vorschläge enthalten, die auch dem Kindeswohl entsprechen, ist dagegen sicher nichts einzuwenden, im Gegenteil, dann sind sie wesentlich "preisgünstiger" als ein Fachgutachten, bei dem ja trotz entsprechender formaler, wissenschaftlicher Ausbildung des Verfassers auch nicht unbedingt garantiert ist, dass es allen wissenschaftlichen Kriterien genügt, objektiv ist und dem Kindeswohl am besten dient. In dieser Fragestellung liegt ganz erhebliches Konfliktpotential, weil es in Deutschland nicht einmal einen vorgezeichneten Beschwerdeweg gegen die Stellungnahmen eines Jugendamtes gibt, geschweige denn die Möglichkeit selbst Experten mit Gegengutachten beizubringen (oder zumindest die Sicherheit zu haben, dass diese Gutachten auch vom Gericht beachtet werden), von Kreuzverhören bei Gericht durch beigebrachte Experten, wie z. B. in den USA durchaus möglich, ganz abgesehen. Ganz anders als etwa in den USA bestimmt in Deutschland faktisch der/die Richter/in allein wer gehört wird und sogar was (statt einem Wortprotokoll) im Protokoll der Verhandlung / Kindesanhörung erscheint.
Prof. Uwe Jopt, psychologischer Sachverständiger, Universität Bielefeld: ,,Sie können gegen jeden Beschluss eines Gerichtes in die Beschwerde gehen, Berufung einlegen, sich gegen Irrtümer zur Wehr setzen. Nur, wenn das Jugendamt eine Maßnahme trifft, gibt es kein Rechtsmittel dagegen. Es kontrolliert niemand das Jugendamt, außer im behördlichen Rahmen der Dienstleiter, aber es gibt keinen Beschwerdeweg für betroffene Dritte." (ARD REPORT vom 6.9.2004: Kindesentzug auf Verdacht - Wie Familien auseinandergerissen werden. )(3) Dazu kommt, dass es auch keinerlei übergeordnete Fachaufsicht über die Jugendämter gibt. Sie sind vielmehr Teil der kommunalen Selbstverwaltung, unterstehen also dem Oberbürgermeister oder Kreisrat. Mit der Frage wer die Jugendämter kontrolliert haben wir uns vor kurzem, aus vielfach gegebenem Anlass, wieder auseinander gesetzt. Dort wurde auch dargelegt wie man trotz fehlender übergeordneter, fachlicher Kontrolle und ohne vorgezeichneten Beschwerdeweg versuchen kann gegen Fehlleistungen eines Jugendamtes vorzugehen. Die jüngste BGH Entscheidung in der, so weit uns bekannt ist, erstmals die Verurteilung eines Jugendamt (oder genauer seines Trägers, des Landkreises) wegen eines sehr gravierenden Versagen mit katastrophalen Folgen (einschließlich Todesfolge) bestätigt wurde, schafft hier neue Tatsachen:
Pressemitteilung: 21.10.2004 - Bundesgerichtshof (BGH) Nr. 120/2004
Bundesgerichtshof zur Haftung des Jugendamts bei Mißhandlung von Pflegekindern durch Pflegeeltern
Der u.a. für das Amtshaftungsrecht zuständige III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat in einem Schadensersatzprozeß eines Pflegekindes gegen einen baden-württembergischen Landkreis (Jugendamt) wegen während des Aufenthalts in einer Pflegefamilie erlittener Mißhandlungen die von den Vorinstanzen (Landgericht und Oberlandgericht Stuttgart) ausgesprochene Verurteilung des Beklagten zur Zahlung eines Schmerzensgeldes (25 000 €) und die Feststellung einer Ersatzpflicht wegen sämtlicher materieller und künftiger immaterieller Schäden des Klägers bestätigt. .....Mehr
Beck Aktuell: BGH: Jugendamt muss Schadensersatz für Misshandlung eines Pflegekindes durch Pflegeeltern zahlen
Hinweis: Die verlinkten Angaben führen Sie in unsere kostenpflichtige Volltext-Datenbank beck-online. Grün verlinkte sind zwei Wochen ab Erscheinungsdatum der Meldung kostenlos einsehbar. Sollten Sie noch kein Kunde sein, können Sie sich unter www.beck-online.de über Zugangsbedingungen informieren.
Nach dem Urteil muss der baden-württembergische Rems-Murr-Kreis als Träger des beklagten Jugendamtes dem Kläger alle materiellen sowie immateriellen Schäden aus der Misshandlung durch seine Pflegeeltern ersetzen. Zur Begründung führten die Richter aus, das Jugendamt habe seine Pflicht aus § 37 Abs.3 Satz 1 SGB VIII zu einem «Antrittsbesuch» bei der Pflegefamilie verletzt, als diese aus Bayern nach Baden-Württemberg gezogen war. Der Kontrollbesuch war infolge von Zuständigkeitsstreitigkeiten unterblieben. ........
Das Urteil der Vorinstanz: OLG Stuttgart, Amtspflichtverletzung des Jugendhilfeträgers bei Misshandlung des Pflegekindes, NJW 2003, 3419
Besprechung des vorinstanzlichen Urteils: Meysen, Tod in der Pflegefamilie: Verletzung von Kontrollpflichten im Jugendamt? NJW 2003, 3369
Bringewat, Kommunale Jugendhilfe und strafrechtliche Garantenhaftung, NJW 1998, 944
Die Entscheidung ist jetzt als Volltext abrufbar (pdf Datei, 70 kB).
Nicht nur wegen mangelnder Aufsicht, wie in diesem Falle, gibt es heftige Kritik und wohl auch, wenigstens entsprechend Urteilen, insbesondere des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte, gravierendes Versagen der Jugendämter. Das betrifft die Inobhutnahme von Kindern wegen behaupteter Erziehungsunfähigkeit der Eltern oder gar angeblicher Gefährdung durch Münchhausen Syndrom by Proxy oder sexuellen Kindesmissbrauch, "Diagnosen" die in Wirklichkeit, anders als offensichtliche Misshandlung, eine langwierige Untersuchung durch wissenschaftlich ausgebildete, erfahrene und dafür speziell qualifizierte Fachleute erfordern würden. Bei Fehldiagnosen, z. B. von sexuellen Kindesmissbrauch, haben sich nicht selten nicht nur so genannte "parteiliche Beratungsstellen" negativ hervorgetan, sondern auch öffentliche Jugendämter, vgl. z. B. Die Zeit vom 18.6. 2003 und weitere Medienberichte. Was uns besonders beunruhigt, ist die Sorge, dass einseitige, ideologisierte Haltungen insbesondere durch Fachhochschulen an die auszubildende, nächste Generation von SozialpädagogInnen und JugendamtsmitarbeiterInnen weiter getragen werden, statt sie in einer beim Thema Gewalt und ganz besonders bei sexuellem Missbrauch unbedingt nötigen ergebnisoffenen, aber kritischen Haltung zu schulen.
Unter den zahlreichen Fällen von Inobhutnahme durch das Jugendamt über die besonders kritisch berichtet wurde, sind aus jüngerer Zeit, wegen entsprechender Entscheidungen aus Straßburg, zwei besonders bekannt geworden: Kutzner gegen Deutschland und Haase gegen Deutschland. Für sehr viel Diskussion sorgte bisher auch der Fall Görgülü gegen Deutschland bei dem das Jugendamt nicht nur in einem Adoptionsverfahren eine tragende Rolle spielt, sondern auch mit seinen Stellungnahmen zum Sorge- und Umgangsrecht und das sogar mit seiner Macht zum Einspruch gegen diesbezügliche gerichtliche Entscheidungen.
Stellungnahmen des Jugendamtes zu Umgangs- und Sorgerecht werden nicht nur bei rein inländischen Entscheidungen oft kritisch gesehen. Sie wurden nicht selten sogar in Fällen internationaler Kindesentführung eingeholt, obwohl es nach dem Haager Übereinkommen ausschließlich um die rasche Rückführung eines Kindes an seinen gewöhnlichen Aufenthaltsort geht und eine Sorgerechtsentscheidung im Zielstaat der Entführung ausdrücklich untersagt ist. Tatsächlich blieb die Vorgangsweise in Deutschland aber oft praktisch dieselbe wie bei rein inländischen Sorgerechtsfällen, einschließlich der Anhörung sogar von Kleinkindern und Einschaltung des Jugendamtes, obwohl das Jugendamt in einem deutschen Provinznest wohl kaum kompetente Auskunft über das soziale Umfeld des Kindes, beispielsweise in London oder Washington, geben kann, auf das es bei einer Entführung von dort nach dem Haager Übereinkommen allein ankommen sollte, wenn tatsächlich einmal zu Recht vom Ausnahmeartikel ( Art. 13) des Abkommens Gebrauch zu machen ist (abgesehen davon, dass die Abwendung einer ev. Kindeswohlgefährdung am Ort des gewöhnlichen Aufenthaltes primär in den Verantwortungsbereich der dortigen Behörden fällt.)
Gerade im Ausland stößt die Macht die deutschen Jugendämtern zugesprochen wird oft auf besonderes Unverständnis. Man kann natürlich einwenden, dass letztlich die Gerichte Maßnahmen der Jugendämter bestätigen müssen, aber auch aufheben können. Die Beispiele zeigen aber, wie schwierig es oft ist eine Fehlentwicklung rechtzeitig wieder rückgängig zu machen, wenn sie einmal eingeleitet wurde. Die daraus folgende Notwendigkeit die Macht und insbesondere die eigentlich dazugehörige Kontrolle der Jugendämter zu hinterfragen, wird auch dadurch nicht aufgehoben, dass es tatsächliche Fälle einer gravierenden Kindeswohlgefährdung natürlich unbestritten immer wieder gibt, Jugendämter oft vor einer schwierigen Abwägung stehen, und in vielen Fällen, die dann aber kaum Aufmerksamkeit bekommen, auch wirklich gute Arbeit leisten.
10.6.2007 Mehr zu Aus »fachlich-pädagogischer Sicht« wird Polnisch nicht befürwortet. .......
5.6.2007: Uns ging ein Bericht des Westfalen-Blattes zu, in dem beschrieben wird, wie ein Jugendamt sich über den Beschluss des OLG Hamm hinwegsetzt, der dem (nichtehelichen) Vater ein regelmäßiges Besuchsrecht bei seinem aus dem Haushalt der Kindesmutter und ihres neuen Lebensgefährten in Obhut genommenen Sohn (2) gewährt. In der Ausgabe Nr. 127 von gestern, 4.6.2007, berichtet das Blatt (Christian Althoff, Herford ) weiter, dass die Staatsanwaltschaft inzwischen Ermittlungen gegen die Jugendamtsmitarbeiter wegen des Verdachts der Kindesentziehung [ wir nehmen an, § 235 StGB ] aufgenommen habe.
11.02.07: Das Erste | Sonntag, 11.02.07 | 17:30 Uhr: Plötzlich ist dein Kind
weg. Eltern kämpfen gegen Behördenmacht .
Film von Cathérine Menschner NDR (Stern.) Länge: 30 Minuten.
22.10.2004: Süddeutsche.de, Urteil. Misshandeltes Pflegekind erhält Schmerzensgeld
Der BGH spricht einem Jungen 25.000 Euro zu, der bei Pflegeeltern fast verhungert wäre – das Jugendamt wird haftbar gemacht. Von Helmut Kerscher
21.10.2004, Reuters, Strafe für Jugendamt wegen fast verhungertem Pflegekind. Donnerstag 21 Oktober, 2004 16:00 CET
Karlsruhe (Reuters) - Der Bundesgerichtshof (BGH) hat die Verurteilung eines Jugendamtes zu 25.000 Euro Schmerzensgeld für ein fast verhungertes Pflegekind bestätigt. Die Behörde hatte die Vernachlässigung des Jungen wegen Kompetenzstreitigkeiten nicht bemerkt......
21.10.2004, ARD, Schadensersatz für fast verhungerten Jungen
Der Tagesspiegel, 21.10.2004, 12h02: Jugendamt muss wegen Pflichtverletzung 25 000 Euro zahlen. Karlsruhe (dpa) - Eine Pflichtverletzung kostet das Jugendamt des Rems-Murr-Kreises in Baden-Württemberg nun 25 000 Euro. Das hat der Bundesgerichtshof entschieden. Karlsruhe gab der Klage eines 15- Jährigen statt, der als Kind bei seiner Pflegefamilie fast verhungert war. Das Jugendamt habe die Pflicht zur Überprüfung der Familie verletzt, heißt es in der Begründung.....
21.10.2004, ZDF, 12 h: Pflegekind fast verhungert: Landkreis muss zahlen. Grundsatzurteil des BGH zu Aufsichtspflicht des Jugendamts - Baden-Württemberger bekommt auch Folgeschäden ersetzt.
21.10.2004:
Pressemeldungen über ein Versagen der Jugendämter, insbesondere bei der
Unterbringung in Pflegefamilien, reißen nicht ab. Während über den
grauenvollen Fall PASCAL noch
verhandelt wird, kann man heute und in den letzten Tagen in den
Tageszeitungen, gleich mehrere weitere Berichte über sexuellen
Missbrauch oder grobe Vernachlässigung/Misshandlung von
Pflegekindern finden, in denen dem Jugendamt gravierendes
Versagen angelastet wird, sogar vom Gericht:
Kölner Stadtanzeiger, 21.10.2004:
Fünf Jahre für Missbrauch, Der Vorsitzende Richter bezeichnete das Vorgehen des
Jugendamtes als „den eigentlichen Skandal“. ...
Kölnische Rundschau: Scharfe Kritik am Jugendamt. Von LARS Hering. Richter Wolfgang Hansel fand bei der Urteilsbegründung harte Worte: „Dass Ihnen das Jugendamt die Kinder gegeben hat, ist ein Skandal. Aber verstehen Sie mich nicht falsch: Das institutionelle Versagen entlastet Sie nicht.“ Bei dem Pflegevater handelte es sich um einen ehemaligen Sonderschüler.
So unpassend das angesichts dieser grauenvollen Fälle klingen mag, von grundsätzlicher rechtlicher Bedeutung ist jedoch ein weiterer, grauenvoller Fall, weil es hier vermutlich erstmals um Schadensersatzforderungen gegen einen Landkreis (als Träger des Jugendamtes) geht, der heute vormittag vom Bundesgerichtshof in Karlsruhe entschieden wird, nachdem das Oberlandesgericht Stuttgart dem heute 15jährigen im Juni 2003 Schmerzensgeld und Schadenersatz in Höhe von 25 000 Euro zugesprochen hatte,weil das Jugendamt seine Amtspflicht verletzt habe. Der Rems-Murr-Kreis ging dagegen in Revision und bestreitet eine Amtshaftung ( Berliner Morgenpost):
Von Catrin Barnsteiner und Michael Mielke.
Ein Kind verhungert, zwei sind lebensgefährlich unterernährt. Die Pflegeeltern werden wegen Mordes verurteilt. Kontrolliert hatte sie das Jugendamt nicht. Dagegen klagt jetzt ein Opfer.....
Hamburger Abendblatt, Pflegekind klagt gegen Jugendamt. Schmerzensgeld: Andreas wäre fast verhungert. Sein Bruder starb. Jetzt geht der Streit mit der Behörde sogar vor den BGH......
BGH prüft Klage von Pflegekind gegen Jugendamt (AFP) vom 14.10.2004.
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat geprüft, ob ein heute 15-jähriger Junge Anspruch auf 25.000 Euro Schmerzensgeld gegenüber dem Jugendamt hat, weil er in einer Pflegefamilie im schwäbischen Rems-Murr-Kreis jahrelang gequält wurde und fast verhungerte. Nach Ansicht des klagenden Andreas W. verletzte das Jugendamt seine Kontroll- und Aufsichtspflichten, weil es die Pflegeeltern während seines jahrelangen Martyriums nie überprüfte. .........
Kurz vor dem Hungertod: Pflegekind verklagt zuständiges Jugendamt (AFP) vom 12.10.2004
und weitere Meldungen, z. B.:
Kölner Stadtanzeiger 20.10.2004): Zwei
Euro für jeden Missbrauch. Elena
(Name geändert) war gerade mal acht Jahre alt, als sie gemeinsam mit
ihrer jüngeren, behinderten Schwester in eine Kölner Pflegefamilie kam
- und damit für sie ein neuer Alptraum begann. .......
Berliner Morgenpost, 10.10.2004: Säugling in Spandau mißhandelt - Hat das Jugendamt versagt?
21.10.2004: Väterradio: Oktobersendung des Väterradio am 21.10.04 von 19.00 Uhr – 19.50 Uhr auch über Livestream oder zum downloaden. Kindeswegnahme von Amtswegen – das Jugendamt
Dagegen
nimmt sich die folgende Maßnahme eines Jugendamtes fast harmlos aus,
obwohl absolut unverständlich, nicht nur für alle die selbst Erfahrung
mit zweisprachigen Kindern haben, und sicher mehr als ein Ärgernis für
den betroffenen Vater und die Kinder.
Die Zeit, 14.10.2004: SCHEIDUNG
Deutsch nach Vorschrift. Ein Hamburger Jugendamt sorgt in Polen für Empörung: Ein Einwanderer soll mit seinen Töchtern unter Aufsicht deutsch sprechen. Von Frank Drieschner
.......Aus »fachlich-pädagogischer Sicht« wird Polnisch nicht befürwortet. .......
Abgesehen davon, dass diese ,,fachlich-pädagogische Sicht" des Jugendamtes jeder praktischen Erfahrung mit Zweisprachigkeit widerspricht (Kinder haben damit überhaupt kein Problem, selbst wenn zu Hause die Landessprache überhaupt nicht gesprochen wird, sofern sie nicht isoliert in einer Parallelgesellschaft aufwachsen), wirft der Vorgang im Ausland ein negatives Licht auf Deutschland, und das nicht nur in Polen: Poles back estranged father in language ban row. By Tony Paterson in Berlin, in der britischen Zeitung Telegraph vom 24.10.2004.
Und gerade ,,aus fachlich-pädagogischer Sicht" müsste man doch eigentlich erkennen können, dass der Gebrauch der vertrauten Sprache in einer sonst so fremden Umgebung, wie beim begleiteten Umgang, nicht nur ein besonderes Bedürfnis von Eltern und Kind ist, sondern auch für den Umgang förderlich ist.
Nachtrag 10.6.2007: Zu Vorfällen dieser Art wurden Beschwerden beim Petitionsauschuss des Europäischen Parlamentes eingereicht und fanden inzwischen mehrere Anhörungen (30.1.2007, 7.6.2007) durch diesen Ausschuß statt. Ein Bericht an das Parlament soll erarbeitet werden, vgl. auch die Rede (französich) des Ausschußvorsitzenden M. Libicki im Europarat, am 18.4.2007. Die Liste der Petitionen kann z. B. dem obigen Dokument zur Anhörung vom 7.6.2007 entnommen werden, die weitere Petitionen zum Thema Jugendamt (insgesamt 11) enthält. Sie sind über die Webseiten des Parlamentes erhältlich, z. B. :
PETITION NO 713/2006. INFORMATIONS SUPPLEMENTAIRES CONCERNANT L'INTERDICTION PAR LE JUGENDAMT EN ALLEMAGNE, DE L'UTILISATION DU POLONAIS. vom 27.1.2007.30.9.2004: STERN Nr. 41 vom 30.9.2004, Seite 64: Kinderklau vom Amt. Der verzweifelte Kampf der Eheleute Cornelia und Josef Haase mit JUGENDHILFE und Gerichten um die Rückkehr ihrer sieben Kinder. Von DORIT KOWITZ. (Hervorhebungen im Originaltitel)
Leider weiterhin keine wesentlichen Konsequenzen aus der vernichtenden Kritik von Bundesverfassungsgericht und des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte an den Entscheidungen der lokal zuständigen Gerichte und vor allem an der Arbeit des Jugendamtes. Die Eltern haben erst seit März 2004 Umgang, aber nur mit lediglich 2 der 7 eine Woche vor Weihnachten 2001 ,,in Obhut" genommenen Kinder, und ohne eine von ihnen dazu angestrebte Regelung. Die jüngsten Kinder sind in kinderlosen Pflegefamilien. Wirklich bemerkenswert jedoch die Aussagen der Leiterin des Jugendamtes, lt. STERN: ,,Die Abwägung zwischen Elternrecht und Kindeswohl wird beim Europäischen Gerichtshof [pdf Datei]und im deutschen Kinder-und Jugendhilfegesetz unterschiedlich bewertet." Und dazu noch ein weiteres, wahrlich erschreckendes Armutszeugnis für die Qualität solcher Abwägungen des Jugendamtes und zugleich für den Staat der dieser Institution dazu praktisch unkontrollierte Macht verleiht: Frau Haase hat Anfang 2004 eine weitere Tochter geboren. Auf die Frage einer WDR-Journalistin, warum man das Baby bei Haases lasse, wenn es doch dort so gefährlich sei", habe die Jugendamtsleiterin geantwortet: ,,Weil der Mediendruck so hoch ist." Immerhin wenigstens eine offene, ehrliche Antwort.
Zur Jugendhilfe im Fall Haase und den sie betreffenden Gerichtsentscheidungen haben wir laufend berichtet
20.9.2004: Die allermeisten sollten wenigstens heute, mit Beginn des Strafprozesses im Falle des grauenvollen Missbrauchs und Mordes von Pascal Z. mit Berichten in Presse und Fernsehen auf die Notwendigkeit deutlich hingewiesen werden, das Pflegekinderwesen und die Arbeit des Jugendamtes (und auch so mancher öffentlich geförderten Beratungsstellen) endlich einer tatsächlichen, effektiven und übergeordneten fachlichen Kontrolle zu unterziehen, oder zumindest die derzeit praktisch unkontrollierte Macht dieser Behörde auf die Dinge einzuschränken die sie wirklich mit großer Sicherheit kompetent erledigen kann, zum Beispiel die Administration der an sich sehr fortschrittlichen Hilfsangebote, wie Eingliederungshilfe etc., im Jugendhilfegesetz. Wie kann es sonst sein, dass leider immer wieder über katastrophale Fehlentscheidungen zu berichten ist und Warnungen ungehört bleiben, wenn auch nicht so verheerend wie in diesem Falle, mit der mutmaßlich Hauptverantwortlichen als Pflegemutter, Vormund und sogar Schöffin für Jugendsachen am Amtsgericht? Auch über weit weniger grauenvolle aber trotzdem katastrophale Fälle ist immer wieder zu berichten, auch auf unseren Seiten, von dazu sehr kritischen Entscheidungen des Gerichtshofes für Menschenrechte, oder von Feststellungen über sexuellen Missbrauch etc. durch Leute die für die äußerst schwierige Beurteilung dieser Fragen in keinster Weise qualifiziert sind. Der STERN berichtet in seiner Ausgabe vom 16. 9. 2004, S. 190 -198, z. B. von einer "Diagnose" von "Borderline" durch eine Sozialarbeiterin die ,,davon einmal gehört habe". Außerdem sind neben dem Fall Pascal Z. eine Reihe weiterer bekannter Fälle unter dem Titel ,,Jugendamt -Wehe, wenn sich der Staat um deine Kinder kümmert" zusammengefasst.
6.9.2004: HEUTE ARD, Report MÜNCHEN um 21.00 Uhr u.a.: Kindesentzug auf
Verdacht - Wie Familien auseinandergerissen werden.
Petra
H. wird verdächtig, an einer seltenen psychischen Störung erkrankt zu
sein, bei der die betroffene Mutter die Krankheit ihres Kindes
vortäuscht. Plötzlich stehen Polizei, Jugendamt und Sanitäter in ihrem
Haus, führen die Mutter in die Psychatrie ab und bringen das Kind weg.
Seit über vier Wochen darf kein Mitglied der Familie zu dem 9-Jährigen.
Petra H. kämpft um das Sorgerecht für ihr Kind. report München über die
Macht deutscher Jugendämter. Mehr
Anmerkung: Das klingt ganz nach einer Behauptung, dass die Mutter am Münchhausen-by-proxy (Stellvertreter)-Syndrom leide, einer ziemlich bizarren psychischen Erkrankung, deren Bestätigung nicht nur eine sorgfältige psychiatrische Beobachtung der Mutter, sondern nach Möglichkeit auch einen direkten Nachweis erfordern würde, dass das (scheinbare) Krankheitsbild des Kindes tatsächlich auf die Mutter zurückzuführen ist. Ähnliches ist uns aus letzter Zeit zumindest aus einem weiteren Fall im Zusammenhang mit einer "Inobhutnahme" durch das Jugendamt bekannt geworden. Hier ein Bericht (MDR, BRISANT) zu einem solchen Fall aus dem Jahre 2002, mit einigen weiterführenden links.
2.7.2004: Fliege -Die Talkshow, ARD, Mo. 5.7.2004, 16h, Länge: 60 Minuten: Andreas Meunier (45) und seine Frau Barbara (41) erlebten mit dem Jugendamt und dem Amtsgericht Saarlouis die Hölle. Die achtjährige Tochter Nina war ihnen entzogen und zu einer Pflegefamilie gesteckt worden. Eine Nachbarin hatte behauptete, von Nina erfahren zu haben, sie werde vom Vater sexuell missbraucht. - Josef Haase und seine Frau Cornelia (beide 35) aus Münster mussten vor dem Bundesverfassungsgericht und dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg um ihre sieben Kinder kämpfen: Das Jugendamt Münster hatte ihnen die Sprösslinge, darunter das sieben Tage alten Baby Laura-Michelle, in einer Nacht- und Nebel-Aktion weggenommen. ..........
16.5.2004 ZDF Mona Lisa: Im Zweifel gegen die
leiblichen Eltern. Wer kontrolliert das Jugendamt?
I n
den Zuständigkeitsbereichen der Jugendämter Münster und Osnabrück gibt
es auffallend viele Fälle, in denen Kinder weggenommen werden und die
Eltern sie nicht zurückbekommen. Das klingt nach System. Doch was
steckt dahinter? ML Mona Lisa hat nachgefragt.
Fall Kutzner, Haase etc. Mit weiteren Links.
15.4.2004: Zu der MONA LISA Sendung vom 28.3. 2004 über den Fall "Müller" (Meunier) ist auf den Webseiten des ZDF ein Bericht ,,Gegen Jugendamt und Richter. Eltern kämpfen um ihr Kind" (Teil 1 und Teil 2) abrufbar. Enthalten sind auch links zu früheren Berichten (vor der EGMR Entscheidung) über den Fall Haase ,,Familie Haase kämpft um ihre Kinder. Das Jugendamt nahm ihnen sieben Kinder weg" und unter " Neu-Beelterung. Zu dumm zum Erziehen?"über den Fall Kutzner, in dem der Straßburger Gerichtshof ebenfalls eine Menschenrechtsverletzung feststellte.
10.04.2004: BILD: Europäischer Gerichtshof hebt Jugendamt-Entscheidung auf. Nach 843 Tagen zurück
zu Mama und Papa. Von M. BREKENKAMP
Bielefeld – 843 Tage waren sie getrennt, 843 Tage haben Cornelia (36) und Josef H. (36) nicht mit ihren Kindern gesprochen, sie nicht gestreichelt oder im Arm gehalten. Jetzt bekommt das Ehepaar aus Nordwalde bei Münster seine sieben Kinder endlich zurück – es ist das schönste Ostergeschenk!........Mit Bildergalerie. Achtung: Ob der Bericht auch in der Druckversion enthalten ist, scheint von der Region /Ausgabe abhängig zu sein.
18.6.2003: DIE ZEIT /26/2003 vom 18.6., Seite 11 -14: Dossier
Justiz
Man möchte diesen Bericht zunächst spontan als "unglaublich" einstufen, oder als Einzelfall menschlichen Versagens. Aber nicht nur ist DIE ZEIT eine der angesehensten und seriösesten Zeitungen im Lande und der Bericht deshalb glaubhaft, sondern es zeigt die Erfahrung, dass es sich leider um keinen Einzelfall handelt, sondern viel eher um gravierende Fehler im System, und das schon seit langem. Man denke z. B. nur an die Fälle Kutzner, Haase aus jüngster Zeit, die obwohl nicht in Einzelheiten vergleichbar, ebenfalls die Problematik des Zusammenspiels von Jugendamt, Familiengericht, Gutachter und Pflegefamilien /Heime betreffen. Einschlägiger, insbesondere was die zusätzliche, verheerende Rolle von selbsternannten KinderschützerInnen/AufdeckerInnen betrifft, sind vielleicht u.a. noch die Wormser Prozesse (1995-1997), die vielen, auch an den massgebenden Stellen, eigentlich noch in schrecklicher Erinnerung sein müssten. Die Grundlagen der Aussagepsychologie und das Prinzip von Glaubhaftigkeitsgutachten werden aber vielfach auch von der Justiz und den von ihr beauftragten Sachverständigen nicht verstanden, insbesondere die sogenannte Nullhypothese von der dabei auszugehen ist. Immerhin ist ein gewisser, wenn auch sehr bescheidener Fortschritt festzustellen. Von den Wormser Prozessen wurde noch berichtet, dass die Staatsanwaltschaft, vermutlich wegen der Nullhypothese, sogar von ,,Unglaubwürdigkeitsgutachten" sprach und damit den Sachverständigen ablehnen wollte. Hier, dagegen immerhin eine klare Aussage der zuständigen Staatsanwaltschaft:
Das „Gutachten“ veranlasst die Staatsanwaltschaft Saarbrücken nicht zum Eingreifen. Offensichtlich erkennen die Strafverfolger die gravierenden Mängel in der Expertise des Psychologen. Auf die Frage der ZEIT, warum der Kindesvater jetzt nicht festgenommen und vor Gericht gestellt worden sei, antwortet die Staatsanwältin: „Herr A. entspricht in seinem Gutachten nicht den wissenschaftlichen Anforderungen des Bundesgerichtshofs. Auf der Basis einer solchen Arbeit können wir niemanden anklagen. Jeder Richter hätte das Gutachten in der Luft zerrissen.“
Nicht so der zuständige Familienrichter. Er hält weiter an A. fest. Warum? Er hätte nur in die Gerichtsbibliothek gehen müssen, um die entsprechende Entscheidung des Bundesgerichtshofsaus dem Jahre 1999 nachzuschlagen. Jugendamt und Verfahrenspflegerin beantragen – beflügelt vom Werk des Herrn A. – beim Gericht, den Müllers endlich das elterliche Sorgerecht zu entziehen und für Lena einen Vormund einzusetzen.
In der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 30.07.1999 - 1 StR 618/98 wurden Mindestanforderungen an Glaubhaftigkeitsgutachten bei Verdacht auf sexuellen Kindesmissbrauch definiert, und den, wie diese Fälle zeigen, nicht nur bei selbsternannten Kinderschützern/innen üblichen "Aufdeckermethoden", insbesondere der Verwendung von anatomisch korrekten Puppen, Kinderzeichnungen etc. eine klare Absage erteilt. Die vom Urteil betroffene Sachverständige hatte sich in einem Zeitungsinterview solcher Methoden in rund 1200 Fällen gerühmt, mit denen sie nach ihren Angaben in über 90 % der Fälle die "Glaubwürdigkeit" der Aussagen über sexuellen Kindesmissbrauch feststellte. Im Zusammenhang mit Trennung/Scheidung jedenfalls, ist das tatsächliche Verhältnis mindestens umgekehrt, was natürlich trotzdem erfordert, dass man entsprechende Behauptungen sehr ernst nimmt. Beides, ein tatsächlicher Missbrauch, aber auch eine Falschbeschuldigung, hat gravierende Folgen.
Erfreulicher Nachtrag: In der Sendung FLIEGE vom 2.7.2004, in der die Eltern ihren Kampf schilderten, war bereits zu erfahren, dass das Kind inzwischen wieder glücklich bei seiner Familie lebt. Wir haben jetzt erfahren, dass Frau Rückert, Gerichtsberichterstatterin der ZEIT, für diesen Aufsatz beim Deutschen Jugendhilfetag 2004 den Medienpreis erhalten hatte. Der Preis wird von der Arbeitsgemeinschaft der Jugendhilfe vergeben, der u.a. die Landesjugendämter angehören. Darüber zeigte sich die Autorin überrascht, weil ihr Bericht ja nicht die Leistungen der Jugendhilfe hervorhebt, sondern sich mit einer Katastrophe befasst. ,,Einer Katastrophe an der ein Kinderschutzzentrum, ein Jugendamt, ein Familiengericht und ein psychologischer Glaubwürdigkeitsgutachter ihren vorwerfbaren Anteil haben", wie sie sich ausdrückte.