Jugendhilfe und Trennungsberatung
Unter diesem Titel erschien ein Aufsatz von Prof. Dr. Uwe Jopt
im Zentralblatt für Jugendrecht 85 (7/8), S. 286-297, 1998, auf
den wir bereits mit Erscheinen des Heftes hinwiesen. Das
Manuskript basiert auf einem Vortrag, gehalten am 12.11.1997 auf
einer Fortbildungsveranstaltung des Landesjugendamtes
Rheinland-Pfalz. Der Aufsatz richtet sich daher primär an
Mitarbeiter/innen der Jugendämter, ebenso wie die neue Arbeit, The
Parental Alienation Syndrome (PAS) und die Interessenvertretung
des Kindes - ein kooperatives Interventionsmodell für
Jugendhilfe und Gericht, von Wera Fischer,
Trennungsberaterin und Mediatorin. (Dieser Aufsatz ist bereits im
voraus aus dem Internet abrufbar, einschließlich weiterer Arbeiten
der Autorin.) Beide Arbeiten enthalten aber vieles, was auch für
die Klienten der Jugendhilfe direkt von Interesse ist, abgesehen
davon, daß diese natürlich an Verbesserungen der Hilfeleistung
interessiert sind. Es lohnt sich auch die Sichtweisen eines
Psychologen und Sachverständigen bei Sorgerechtsfragen (Jopt)
und der einer früheren Mitarbeiterin (Fischer) eines Jugendamtes
(7 Jahre als Sozialarbeiterin) zu vergleichen. Vgl. dazu auch
Christine Knappert (JA Bad Salzuflen), Wenn ein Elternteil
nicht will, kann man nichts machen!? (KindPrax
2/98).
Es freut uns zu hören, daß das Thema PAS bei der
öffentlichen Jugendhilfe bereits auf beachtliches Interesse
stieß, und wir erwarten, daß die beiden neuen Arbeiten weiter
wesentlich dazu beitragen. Wir haben schon auf einen Aufsatz (Bakalar, ZfJ 6/98) hingewiesen, wonach in
der Tschechischen Republik die Initiative zur Befassung mit PAS
dazu sogar schon vor Jahren von den öffentlichen Stellen
ausging, d.h. im Rahmen von Fortbildungmaßnahmen mit denen bei
uns z.B. die Landesjugendämter, lt. Kinder- und
Jugendhilfegesetz (KJHG), explizit beauftragt sind.
Zu dem oft sehr kritisch diskutierten Thema Jugendamt (vgl.
auch Vorwüfe
und Anfragen
im Bundestag) möchten wir das Studium der Beiträge zu einer
Tagung der Ev. Akademie Bad Boll, ,Kindeswohl",
Dilemma und Praxis der Jugendämter (1996) empfehlen (Ev.
Pressedienst, Dokumentation Nr. 6, 1997), bei denen auch die
Sichtweisen von Richtern (Bergmann)
und des "Vaters" des KJHG, Min. Rat. Dr. R. Wiesner (von ihm
erschien auch wieder ein Beitrag in ZfJ 7/8 98, S. 269-285, Die
Reform des Kindschaftsrechts -Auswirkungen für die Praxis der
Kinder- und Jugendhilfe), zur Geltung kommen.
Der neue Aufsatz von Jopt (vgl. auch "Zur Diskrepanz
zwischen staatlichem Kinderschutz und behördlichen
Kinderschützern", Bad Boll, 1996) ist, entsprechend
seinem Titel, einem breiteren Themenkreis als PAS gewidmet. Wir
wollen ihn an Hand einer kommentierten Gliederung, mit Zitaten,
darstellen, müssen aber im übrigen auf ZfJ verweisen (vgl. die
Hinweise vom 14.7.98 unter Neues).
I. Vom Er-mittler zum Ver-mittler
Die traditionelle "Ruhigstellung", durch Zuteilung des
Sorgerechtes an einen Elternteil und eines Umgangsrechtes an den
anderen, ist nicht im Sinne des Kindeswohls. Die effektivste
Hilfe für die Kinder besteht in der Sicherung ihrer Beziehungen
zu beiden Eltern. Diesen Erkenntnissen trägt das KHJG (1991),
das den Übergang vom alten Jugendamt als quasipolizeilicher
Ordnungs- und Dienstleistungsbehörde zu einem
Dienstleistungsunternehmen in Sachen "Elternhilfe"
einleiten sollte, Rechnung. Mit dem neuen KindRG wurde diese
Entwicklung ein eindrucksvolles Stück weitergetrieben. Häufig
allerdings ,,wird anwaltliches Verhalten immer noch durch
schrankenlose Parteinahme zugunsten des jeweiligen Mandanten
bestimmt ist, ohne Rücksicht auf die tatsächliche psychische
Bedürftigkeit der Kinder, denen mit jeder anwaltlichen
Abwertung, gleich welchen Elternteils, regelmäßig nur schwerer
Schaden zugefügt wird.'' Aber auch Sozialarbeiter tun sich
vielfach noch sehr schwer den Wechsel von dem früheren
"Trennungsauftrag" zur Elternberatung §§ 17, 18 SGB
VIII, zu einer einvernehmlichen Sorge/Umgangsregelung zu
vollziehen. Dabei bietet derzeit nur die staatliche Jugendhilfe
die rechtliche Grundlage für eine solche Beratung. Sie scheitert
aber sehr oft aus fachlichen, wie auch aus rein strukturellen
Gründen.
II. Elterntrennung und kindliches Leid
Beschreibt eindrucksvoll den emotionalen "Super-GAU"
den Trennung der Eltern für die Kinder bedeutet.
1. Beziehungstod
2.Psychische Schadensbegrenzung
III. Paarkonflikt
- Interpunktion
- Skizziert die psychologischen Prozesse der Paardynamik im
Konflikt, insbesondere die völlig getrennten
"Realitätswelten" in der sich beide
Elternteile jeweils als "Opfer" sehen, sogar
der Verlassende, weil er ja zu diesem Schritt durch das
Verhalten des Partners "gezwungen" wurde.
- Warum Kinder so leicht in den Konflikt ihrer Eltern
hineingeraten
- Die mannigfachen Versuche der Eltern, die Kinder jeweils
exklusiv an sich zu binden sind aus der Kinderperspektive
bedrohlich, und es ist sicher nicht ganz übertrieben
hier von psychischem Kindesmißbrauch zu sprechen. Die
Kinder sind entweder völlig paralysiert oder merken die
oft subtilen Suggestionen gar nicht. Parteiergreifen für
einen Elternteil zu Lasten des anderen [PAS] stellt den
verzweifelten Versuch dar, sich dem seelischen Konflikt
zu entziehen.
IV. Zur Quadratur des Kreises
Die Trennung von Paar- und Elternebene läßt sich in der Praxis
nur schwer vollziehen.
V. Nachscheidungsfamilie
VI. Jugendamt und Kinderschutz
- Das Jugendamt als gerichtlicher
"Entscheidungs"-helfer
- Nachdem eine rechtliche Entscheidungshilfe durch das
Jugendamt heute nicht mehr willkommen ist, obwohl manche
Richter nicht gern auf die Bequemlichkeit des alten
Kooperationsmusters verzichten wollen, wird oft zumindest
vordergründig ein anderer Weg gegangen indem, verpackt
als Empfehlung, daß ein "Gutachter" mit der
Sorgerechtsfrage befaßt werden soll. Daß aber
Psychologen eine "Trefferquote" über die
automatischen 50% hinaus erbringen, das ist eine bisher
noch nie bewiesene Annahme.
- Datenschutz vor Kinderschutz
- Kinderschutz ,,wird erst recht dann
zur Domäne von Psychologischen Gutachtern werden wenn
die überwiegende Mehrheit der JA Mitarbeiter weiterhin
an der irrigen Vorstellung festhält, allein mit einem
Angebot zur Elternberatung -völlig unabhängig vom
Ergebnis oder davon, ob es überhaupt angenommen wird
oder nicht -ihrem gesetzlichen Auftrag bereits
hinreichend genügt zu haben. Dem steht jedoch entgegen,
daß es aus kinderpsychologischer Sicht gerade alles
andere als bedeutungslos ist, warum ein Elternteil die
Kooperation mit dem anderen ablehnt bzw. - durch
ledigliche 'Pflichtteilnahme' -jede ernsthafte
Annäherung von vornherein sabotiert. .. Damit aber gibt
er zugleich unmißverständlich zu erkennen, daß er es
seinem Kind ganz bewußt zumutet, den Konflikt zum
anderen Elternteil zukünftig in einer Atmosphäre
völliger Unversöhnlichkeit oder gar mit permanenten
Schuldgefühlen (wegen fehlender Loyalität) pflegen zu
müssen. Eine Haltung, die als Beleg für einen
bedenklichen Mangel an Elternverantwortung und
Erziehungskompetenz kaum deutlicher ausfallen kann. ..
Deshalb kommt es einer Konterkarierung des gesetzlichen
Schutzauftrages gleich, wenn sich ausgerechnet der
staatliche Kinderschützer Jugendamt nach Scheitern
seines Beratungsangebots auf eine lapidare
Berichtsfunktion zurückzieht..
Fazit: Solange ein das Kind
betreuender Elternteil nicht befürchten muß, daß seine
Einflußnahme auf die Beziehung des Kindes zum anderen
auch Konsequenzen nach sich ziehen kann, werden wir immer
vor Situationen kapitulieren, die zum Schlimmsten
gehören, was das Familienrecht kennt - Kinder, die eine
Elternteil verteufeln. Wo immer dies der Fall ist, ist
das Kind in den Brunnen gefallen und alle Versuche,
diesen - nie vom Kind selbst zu verantwortenden - Wahn
wieder zu beseitigen, sind nur vom geringen Erfolg. Bis
heute weiß niemand, welcher Weg in solchen Fällen der
richtige ist. Deshalb kommt es entscheiden darauf an,
frühzeitig (!) alles zu unternehmen, damit es zum
Super-GAU der Trennungsfolgen, zur Horrorvision eines PAS
(O.-Kodjoe & Koeppel, 1998), gar nicht erst kommt.
Die Teilnahme am
Beratungs- und Informationsangebot der Jugendhilfe ist
zwar freiwillig, und sie wird es -obwohl es gute Gründe
gäbe, im Interesse der Kinder eine gesetzliche
Beratungspflicht zu etablieren -vermutlich auch noch
lange Zeit bleiben. Doch so lange eine Verweigerung
lediglich zur Kenntnis genommen wird, so lange aus einer
nicht nachvollziehbaren (!) Ablehnung der Zusammenarbeit
im Interesse des und aus Liebe zum gemeinsamen Kind keine
Folgerungen gezogen und dem Gericht aufgezeigt werden,
wird sie letztlich immer ein 'zahnloser' Tiger
bleiben." Es wird dann
gefolgert, daß ein derartiger staatlicher
Beratungsdienst rundum überflüssig sei, da freiwillige
Beratung längst flächendeckend von Freien Trägern
angeboten wird. [Hier werden also Kernforderungen nach
Pflichtberatung und frühzeitiger Intervention
formuliert, auf die wir z.B. unter Bezug auf die
amerikanische Situation, aber auch auf einige deutsche
"Leuchtturm"- Entscheidungen wiederholt
hingewiesen haben.]
- Recht und Psychologie -Macht und Gefühl
- Durch die Einschaltung des Gerichts kommt zu der
psychologischen Ebene eine juristische. Eine kindgerechte
Lösung erfordert aber eine interdisziplinären
Zusammenarbeit von psychologischer Beratung, Anwälten,
mit dem Gericht als verantwortlichem
"Regisseur" [wie bei PAS z.B. von Ward &
Harvey, Familienkriege -die
Entfremdung von Kindern, beschrieben].
- Jugendhilfe und neues Kindschaftsrecht
- Beratungsqualifikation
- Das KindRG stellt sogar vermehrte Anforderungen an die
Beratungsqualifikation, jedoch macht das KHJG nur
glauben, daß dieses Fachwissen bei sämtlichen
Jugendämtern des Landes abrufbar sei.
Obwohl vor dem schnellen Ruf nach dem
"Gutachter" gewarnt wurde, so habe der
Psychologe doch einen strukturellen Vorteil gegenüber
dem Sozialarbeiter. ,,Denn wenn gegenüber der
Jugendhilfe einfaches Kopfschütteln eines Elternteils
genügt, um die gesamte Mission für gescheitert zu
erklären, wissen die meisten Eltern schon sehr genau,
daß sie es sich kaum leisten können, den Vorschlag des
Sachverständigen zum gemeinsamen Gespräch grundlos
abzulehnen". Es muß nämlich damit gerechnet
werden, daß der Sachverständige dies fachlich
begründet, als den fundamentalen Kindesinteressen
zuwiderlaufend, dem Gericht mitteilt. Allerdings setzten
sich mediativ arbeitende Sachverständige leicht der
Gefahr eines Befangenheitsantrages des seiner Sache
sicheren Elternteils aus. [Wiederum unsere Forderung, wie
vielfach in den USA: Mediation sollte vorgeschrieben
werden, falls kein übereinstimmender Elternvorschlag
vorliegt].
VII. Schluß
Ohne Abbau des Kompetenzdefizits sollte sich die Jugendhilfe
über fehlendes Vertrauen in weiten Kreisen der Bevölkerung
nicht beklagen.
Literatur
Gliederung und Kommentar zu The
Parental Alienation Syndrome (PAS) und die Interessenvertretung
des Kindes - ein kooperatives Interventionsmodell für
Jugendhilfe und Gericht von Wera Fischer.
Gliederung und Kommentar zu Wenn ein Elternteil nicht will, kann man
nichts machen!? von Christine Knappert (Allgemeiner
Sozialdienst, Bad Salzuflen).
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