Aus der Broschüre des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend zum Kinder- und Jugendhilfegesetz (Achtes Sozialgesetzbuch) 1995, Kap.5. S. 27.
Einfügung Nov. 2004: Inzwischen gibt es auch verschiedene Webseiten mit Online Versionen des KJHG (SGB VIII), z. B. : BMFSFJ/juris
Auch eine stärker präventiv und familienunterstützend angelegte Jugendhilfe kann auf Hilfen zur Erziehung außerhalb des Eltenhauses nicht verzichten, wenn die Eltern - auch mit fachlicherUnterstützung - nicht in der Lage sind, das Wohl des Kindes oder Jugendlichen selbst zu gewährleisten. Neben der Erziehung im Heim oder einer anderen betreuten Wohnform kommt dann insbesondere die Erziehung in einer Pflegefamilie in Betracht (§33 ).Während das Jugendwohlfahrtsgesetz die Aufsicht des Jugendamtes über das Pflegekind in den Mittelpunkt stellte, konzentriert sich die Praxis der Jugendhilfe immer mehr auf die qualifizierte Vermittlung des Kindes in eine geeignete Familie, die Begleitung der Erziehung in der Pflegefamilie und auf die Einbindung der Herkunftsfamilie in das Pflegeverhältnis.
Pflegekindschaft wird immer mehr als eine zeit- und zielgerichtete Erziehungshilfe betrachtet. Im Interesse der Bindungen des Kindes zielt sie entweder auf eine baldige Rückkehr in die eigene Familie oder auf eine stabile, adoptionsähnliche Bindung an die neue, die Pflegefamilie, wobei die Beziehungen zur Herkunftsfamilie so weit wie möglich aufrechterhalten werden sollen.
Diesen neuen Aspekten trägt das Gesetz Rechnung. Es regelt in den §§ 36 bis 38:
Darüber hinaus soll das derzeit örtlich unterschiedlich bemessene Pflegegeld vereinheitlicht werden. Das Gesetz sieht dafür einheitliche Bemessungskriterien vor.
§32 Erziehung in einer
Tagesgruppe
Hilfe zur Erziehung in einer
Tagesgruppe soll die Entwicklung des Kindes oder Jugendlichen
durch soziales Lernen in der Gruppe, Begleitung der schulischen
Förderung und Elternarbeit unterstützen und dadurch
den Verbleib des Kindes oder des Jugendlichen in seiner Familie
sichern. Die Hilfe kann auch in geeigneten Formen der
Familienpflege geleistet werden.
§ 33
Vollzeitpflege
Hilfe zur Erziehung in Vollzeitpflege soll entsprechend dem
Alter und Entwicklungsstand des Kindes oder des Jugendlichen
und seinen persönlichen Bindungen sowie den
Möglichkeiten der Verbesserung der Erziehungsbedingungen
in der Herkunftsfamilie Kindern und Jugendlichen in einer
anderen Familie eine zeitlich befristete Erziehungshilfe oder
eine auf Dauer angelegte Lebensform bieten. Für besonders
entwicklungsbeeinträchtigte Kinder und Jugendliche sind
geeignete Formen der Familienpflege zu schaffen und
auszubauen.
§ 34 Heimerziehung, sonstige
betreute Wohnform
Hilfe zur Erziehung in einer Einrichtung über Tag und
Nacht (Heimerziehung) oder in einer sonstigen betreuten
Wohnform soll Kinder und Jugendliche durch eine Verbindung von
Alltagserleben mit pädagogischen und therapeutischen
Angeboten in ihrer Entwicklung fördern. Sie soll
entsprechend dem Alter und Entwicklungsstand des Kindes oder
des Jugendlichen sowie den Möglichkeiten der Verbesserung
der Erziehungsbedingungen in der Herkunftsfamilie
1. eine Rückkehr in die Familie zu erreichen versuchen
oder
2. die Erziehung in einer anderen Familie vorbereiten oder
3. eine auf längere Zeit angelegte Lebensform bieten und
auf ein selbständiges Leben vorbereiten. Jugendliche
sollen in Fragen der Ausbildung und Beschäftigung sowie
der allgemeinen Lebensführung beraten und unterstützt
werden.
§ 35 Intensive
sozialpädagogische Einzelbetreuung
Intensive sozialpädagogische Einzelbetreuung soll
Jugendlichen gewährt werden, die einer intensiven
Unterstützung zur sozialen Integration und zu einer
eigenverantwortlichen Lebensführung bedürfen. Die
Hilfe ist in der Regel auf längere Zeit angelegt und soll
den individuellen Bedürfnissen des Jugendlichen Rechnung
tragen.
Zweiter Unterabschnitt
Eingliederungshilfe für seelisch behinderte Kinder und
Jugendliche
§ 35 a Eingliederungshilfe für seelisch
behinderte Kinder und Jugendliche
(1) Kinder und Jugendliche, die seelisch behindert oder von
einer solchen Behinderung bedroht sind, haben Anspruch auf
Eingliederungshilfe. Die Hilfe wird nach dem Bedarf im
Einzelfall
1. in ambulanter Form,
2. in Tageseinrichtungen für Kinder oder in anderen
teilstationären Einrichtungen,
3. durch geeignete Pflegepersonen und
4. in Einrichtungen über Tag und Nacht sowie sonstigen
Wohnformen geleistet.Für Aufgabe und Ziel der Hilfe, die
Bestimmung des Personenkreises sowie die Art der
Maßnahmen gelten § 39 Abs. 3 und § 40 des
Bundessozialhilfegesetzes sowie die Verordnung nach § 47
des Bundessozialhilfegesetzes, soweit die einzelnen
Vorschriften auf seelisch behinderte oder von einer solchen
Behinderung bedrohte Personen Anwendung finden.
(2) Ist gleichzeitig Hilfe zur Erziehung zu leisten, so sollen
Einrichtungen, Dienste und Personen in Anspruch genommen
werden, die geeignet sind, sowohl die Aufgaben der
Eingliederungshilfe zu erfüllen als auch den
erzieherischen Bedarf zu decken. Sind heilpädagogische
Maßnahmen für Kinder, die noch nicht im
schulpflichtigen Alter sind, in Tageseinrichtungen für
Kinder zu gewähren und läßt der Hilfebedarf es
zu, so sollen Einrichtungen in Anspruch genommen werden, in
denen behinderte und nichtbehinderte Kinder gemeinsam betreut
werden.
Dritter Unterabschnitt
Gemeinsame Vorschriften für die Hilfe zur Erziehung und
die Eingliederungshilfe für seelisch behinderte Kinder und
Jugendliche
§ 36 Mitwirkung, Hilfeplan
(1) Der Personensorgeberechtigte und das Kind oder der
Jugendliche sind vor der Entscheidung über die
Inanspruchnahme einer Hilfe und vor einer notwendigen
Änderung von Art und Umfang der Hilfe zu beraten und auf
die möglichen Folgen für die Entwicklung des Kindes
oder des Jugendlichen hinzuweisen. Vor und während einer
langfristig zu leistenden Hilfe außerhalb der eigenen
Familie ist zu prüfen, ob die Annahme als Kind in Betracht
kommt. Ist Hilfe außerhalb der eigenen Familie
erforderlich, so sind die in Satz 1 genannten Personen bei der
Auswahl der Einrichtung oder der Pflegestelle zu beteiligen.
Der Wahl und den Wünschen ist zu entsprechen, sofern sie
nicht mit unverhältnismäßigen Mehrkosten
verbunden sind.
(2) Die Entscheidung über die im Einzelfall angezeigte
Hilfeart soll, wenn Hilfe voraussichtlich für längere
Zeit zu leisten ist, im Zusammenwirken mehrerer Fachkräfte
getroffen werden. Als Grundlage für die Ausgestaltung der
Hilfe sollen sie zusammen mit dem Personensorgeberechtigten und
dem Kind oder dem Jugendlichen einen Hilfeplan aufstellen, der
Feststellungen über den Bedarf, die zu gewährende Art
der Hilfe sowie die notwendigen Leistungen enthält; sie
sollen regelmäßig prüfen, ob die gewählte
Hilfeart weiterhin geeignet und notwendig ist. Werden bei der
Durchführung der Hilfe andere Personen, Dienste oder
Einrichtungen tätig, so sind sie oder deren Mitarbeiter an
der Aufstellung des Hilfeplans und seiner Überprüfung
zu beteiligen.
(3) Erscheinen Hilfen nach § 35 a erforderlich, so soll
bei der Aufstellung und Änderung des Hilfeplans sowie bei
der Durchführung der Hilfe ein Arzt, der über
besondere Erfahrungen in der Hilfe für Behinderte
verfügt, beteiligt werden. Erscheinen Maßnahmen der
beruflichen Eingliederung erforderlich, so sollen auch die
Stellen der Bundesanstalt für Arbeit beteiligt werden.
§ 37
Zusammenarbeit bei Hilfen außerhalb der eigenen
Familie
(1) Bei Hilfen nach §§ 32 bis 34 und § 35 a
Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 und 4 soll darauf hingewirkt werden,
daß die Pflegeperson oder die in der Einrichtung für
die Erziehung verantwortlichen Personen und die Eltern zum Wohl
des Kindes oder des Jugendlichen zusammenarbeiten. Durch
Beratung und Unterstützung sollen die
Erziehungsbedingungen in der Herkunftsfamilie innerhalb eines
im Hinblick auf die Entwicklung des Kindes oder Jugendlichen
vertretbaren Zeitraums so weit verbessert werden, daß sie
das Kind oder den Jugendlichen wieder selbst erziehen kann.
Während dieser Zeit soll durch begleitende Beratung und
Unterstützung der Familien darauf hingewirkt werden,
daß die Beziehung des Kindes oder Jugendlichen zur
Herkunftsfamilie gefördert wird. Ist eine nachhaltige
Verbesserung der Erziehungsbedingungen in der Herkunftsfamilie
innerhalb dieses Zeitraums nicht erreichbar, so soll mit den
beteiligten Personen eine andere, dem Wohl des Kindes oder des
Jugendlichen förderliche und auf Dauer angelegte
Lebensperspektive erarbeitet werden.
(2) Die Pflegeperson hat vor der Aufnahme des Kindes oder des
Jugendlichen und während der Dauer der Pflege Anspruch auf
Beratung und Unterstützung; dies gilt auch in den
Fällen, in denen dem Kind oder dem Jugendlichen weder
Hilfe zur Erziehung noch Eingliederungshilfe gewährt wird
oder die Pflegeperson der Erlaubnis nach § 44 nicht
bedarf. § 23 Abs. 4 gilt entsprechend.
(3) Das Jugendamt soll den Erfordernissen des Einzelfalls
entsprechend an Ort und Stelle überprüfen, ob die
Pflegeperson eine dem Wohl des Kindes oder des Jugendlichen
förderliche Erziehung gewährleistet. Die Pflegeperson
hat das Jugendamt über wichtige Ereignisse zu
unterrichten, die das Wohl des Kindes oder des Jugendlichen
betreffen.
§ 38 Ausübung der Personensorge
(1) Sofern nicht der Personensorgeberechtigte etwas anderes
erklärt oder das Vormundschaftsgericht etwas anderes
angeordnet hat, ist die Person, die im Rahmen der Hilfe nach
§§ 33 bis 35 und 35 a Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 und 4 die
Erziehung und Betreuung übernommen hat, berechtigt, den
Personensorgeberechtigten in der Ausübung der elterlichen
Sorge zu vertreten, insbesondere
1. Rechtsgeschäfte des täglichen Lebens für das
Kind oder den Jugendlichen abzuschließen und
Ansprüche aus solchen Rechtsgeschäften geltend zu
machen,
2. den Arbeitsverdienst eines Jugendlichen zu verwalten,
3. Unterhalts-, Versicherungs-, Versorgungs- und sonstige
Sozialleistungen für das Kind oder den Jugendlichen
geltend zu machen und zu verwalten,
4. im Rahmen einer Grundentscheidung des
Personensorgeberechtigten Rechtshandlungen im Zusammenhang mit
dem Besuch einer Tageseinrichtung oder der Schule oder mit der
Aufnahme eines Berufsausbildungs- oder eines
Arbeitsverhältnisses vorzunehmen,
5. bei Gefahr im Verzug alle Rechtshandlungen vorzunehmen, die
zum Wohl des Kindes oder des Jugendlichen notwendig sind; der
Personensorgeberechtigte ist unverzüglich zu
unterrichten.
(2) Sofern der Personensorgeberechtigte durch
Willenserklärung die Rechtsmacht der Pflegeperson oder der
in der Einrichtung für die Erziehung verantwortlichen
Personen soweit einschränkt, daß diese eine dem Wohl
des Kindes oder des Jugendlichen förderliche Erziehung
nicht mehr ermöglichen können, sowie bei sonstigen
Meinungsverschiedenheiten sollen die Beteiligten das Jugendamt
einschalten.
(3) In Rechtsgeschäften, zu denen ein Vormund der
Genehmigung des Vormundschaftsgerichts bedarf, haben die in
Absatz 1 genannten Personen die Zustimmung des gesetzlichen
Vertreters des Kindes oder des Jugendlichen einzuholen. Bedarf
der gesetzliche Vertreter der Genehmigung des
Vormundschaftsgerichts, so ist sie ihm gegenüber zu
erteilen. § 1829 des Bürgerlichen Gesetzbuchs ist
entsprechend anzuwenden.
Sicher auch relevant:
(1) Sozialdaten dürfen nur erhoben werden, soweit ihre Kenntnis zur Erfüllung der jeweiligen Aufgabe erforderlich ist.
(2) Sozialdaten sind beim Betroffenen zu erheben. Er ist über die Rechtsgrundlage der Erhebung, den Erhebungszweck und Zweck der Verarbeitung oder Nutzung aufzuklären, soweit diese nicht offenkundig sind.
(3) Ohne Mitwirkung des Betroffenen dürfen Sozialdaten nur erhoben werden, wenn
1. eine gesetzliche Bestimmung dies
vorschreibt oder erlaubt oder
2. ihre Erhebung beim Betroffenen nicht möglich ist
oder die jeweilige Aufgabe ihrer Art nach eine Erhebung bei
anderen
erfordert, die Kenntnis der Daten aber
erforderlich ist für
a) die Feststellung der Voraussetzungen oder
für die Erfüllung einer Leistung nach diesem
Buch oder
b) die Feststellung der Voraussetzungen
für die Erstattung einer Leistung nach § 50 des
Zehnten Buches oder
c) die Wahrnehmung einer Aufgabe nach den
§§ 42 bis 48 a oder
d) eine gerichtliche Entscheidung, die
Voraussetzung für die Gewährung einer Leistung nach
diesem Buch ist, oder
3. die Erhebung beim Betroffenen einen
unverhältnismäßigen Aufwand erfordern
würde und keine Anhaltspunkte dafür
bestehen, daß schutzwürdige
Interessen des Betroffenen beeinträchtigt
werden.
(4) Ist der Betroffene nicht zugleich
Leistungsberechtigter oder sonst an der Leistung beteiligt, so
dürfen die Daten auch beim
Leistungsberechtigten oder einer anderen Person, die sonst an
der Leistung beteiligt ist, erhoben werden, wenn die Kenntnis
der Daten für die Gewährung einer Leistung nach
diesem Buch notwendig ist. Satz 1 gilt bei der Erfüllung
anderer Aufgaben im Sinne des § 2 Abs. 3
entsprechend.
§ 72
Mitarbeiter, Fortbildung
(1) Die Träger der öffentlichen Jugendhilfe sollen
bei den Jugendämtern und Landesjugendämtern
hauptberuflich nur Personen beschäftigen, die sich
für die jeweilige Aufgabe nach ihrer Persönlichkeit
eignen und eine dieser Aufgabe entsprechende Ausbildung
erhalten haben (Fachkräfte) oder aufgrund besonderer
Erfahrungen in der sozialen Arbeit in der Lage sind, die
Aufgabe zu erfüllen. Soweit die jeweilige Aufgabe dies
erfordert, sind mit ihrer Wahrnehmung nur Fachkräfte oder
Fachkräfte mit entsprechender Zusatzausbildung zu
betrauen. Fachkräfte verschiedener Fachrichtungen sollen
zusammenwirken, soweit die jeweilige Aufgabe dies
erfordert.
(2) Leitende Funktionen des Jugendamts oder des
Landesjugendamts sollen in der Regel nur Fachkräften
übertragen werden.
(3) Die Träger der öffentlichen Jugendhilfe haben
Fortbildung und Praxisberatung der Mitarbeiter des Jugendamts
und des Landesjugendamts sicherzustellen.
§ 79 SGB VIII [Gesamtverantwortung, Grundausstattung]
(1) Die Träger der öffentlichen
Jugendhilfe haben für die Erfüllung der Aufgaben nach
diesem Buch die Gesamtverantwortung
einschließlich der Planungsverantwortung.
(2) Die Träger der öffentlichen
Jugendhilfe sollen gewährleisten, daß die zur
Erfüllung der Aufgaben nach diesem Buch
erforderlichen und geeigneten Einrichtungen, Dienste und
Veranstaltungen den verschiedenen Grundrichtungen der
Erziehung
entsprechend rechtzeitig und ausreichend zur Verfügung
stehen; hierzu zählen insbesondere auch Pfleger,
Vormünder und
Pflegepersonen. Von den für die Jugendhilfe
bereitgestellten Mitteln haben sie einen angemessenen Anteil
für die Jugendarbeit
zu verwenden.
(3) Die Träger der öffentlichen
Jugendhilfe haben für eine ausreichende Ausstattung der
Jugendämter und der
Landesjugendämter zu sorgen; hierzu gehört auch eine
dem Bedarf entsprechende Zahl von Fachkräften.
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Ferner aus dem Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB):
§ 1630
BGB
[Einschränkung durch
Pflegerbestellung]
§ 1632BGB
[Umfang
des Personensorgerechts]
§ 1666 BGB
[Gefährdung des Kindeswohls durch Eltern
oder Dritte]
§ 1666a BGB
[Zulässigkeit der Trennung des Kindes von den
Eltern; Entzug des Sorgerechts]
§ 1696
BGB
[Veränderlichkeit der getroffenen
Anordnungen]
insbes. Abs. 2, wonach Maßnahmen nach §1666 (Kindeswohlgefährdung) und §1667 (Gefährdung des Vermögens des Kindes) aufzuheben sind, wenn eine Gefahr für das Wohl des Kindes nicht mehr besteht. Sowie Abs.(3), wonach länger dauernde Maßnahmen nach §§1666,1667 in angemessenen Zeitabständen zu überprüfen sind.
Kommentar:
Stefan Heilmann weist in seinem Buch ,,Kindliches Zeitempfinden und Verfahrensrecht" ( Luchterhand, 1998) besonders auf die Einschränkung der elterlichen Rechte hin, wenn sich ein Kind für längere Zeit in Familienpflege befindet. Nach §1630, Abs. 3 BGB können dann (allerdings mit Zustimmung der Eltern) Teile des Sorgerechts auf die Pflegeperson übertragen werden. Und nach §1632, Abs. 4 BGB kann das Familiengericht einer Herausgabe des Kindes an die Eltern widersprechen (Verbleibensanordnung). Das gleiche gilt übrigens nach §1682 BGB auch für die Herausgabe des Kindes an den anderen Elternteil. Das hat durchaus seinen Sinn, weil ja, worauf Heilmann hinweist (S. 25), ein kleines Kind diejenigen Personen als Eltern (=soziale Eltern) anerkennt, die seine tagtäglichen Bedürfnisse nach Nahrung, Pflege, körperlichen und psychischen Kontakt unmittelbar erfüllen. Erst später wird es nach seiner Abstammung fragen. Das heißt aber auch, das Kindschaftssachen (sie sind in §§ 640 ff ZPO definiert) besonders beschleunigt behandelt werden sollten, um eine faktische Präjudizierung des Ausgangs und eine Gefährdung des Kindeswohls zu vermeiden. Das hat man, wie wir schon oft betonten, in anderen Staaten nicht nur längst erkannt, sondern, anders als bei uns, durch entsprechende Vorschriften auch praktisch umgesetzt. Heilmann (S. 35) weist aber darauf hin, dass sich auch aus der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) nach Art. 6 und 8 Anforderungen an die Dauer kindschaftsrechtlicher Verfahren ergeben. Auf die notwendige Verfahrensbeschleunigung bei grenzüberschreitender Familienzusammenführung weist auch Art. 10 Abs. 1 der UN Kinderrechtskonvention hin. Das Haager Abkommen über die zivilrechtlichen Aspekte internationaler Kindesentführung schreibt in Art. 11 eine Sechswochenfrist für eine Entscheidung vor. Diese Übereinkommen sind auch in Deutschland geltendes Recht. Argumente, wonach, wegen der Unabhängigkeit der Gerichte, bei rein inländischen Verfahren, keine vergleichbaren Vorschriften erlassen werden könnten, sind daher nicht verständlich.