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Zentralblatt für Jugendrecht ZfJ 87.Jahrgang Nr. 9/2000, S. 343-347.
Ausschluss des Umgangs — und was dann?
Dr. Michael Karle / Prof. Dr. Gunther Klosinski, Universität Tübingen
Auszüge und Hervorhebungen durch Väter für Kinder e.V.
Einleitung
Walter
hat 1996 in dieser Zeitschrift umfassend die mit einer Einschränkung
oder einem Ausschluss des Umgangs nach § 1634 Abs. 2 Satz 2 BGB
einhergehende Problematik beschrieben und gewürdigt. Zeitgleich haben
Karle und Klosinski (1996) eine Studie vorgelegt, in der
die Gründe und Begründungen diskutiert worden sind, anhand derer
in Stellungnahmen von Sachverständigen empfohlen
worden ist, den Umgang auszuschließen.
Walter
(1996) nähert sich dem Gegenstand von einer eher
theoretisch-abstrakten Warte aus und diskutiert verschiedene
Möglichkeiten. Karle und Klosinski (1996, 1999) gehen von ihrer
praktischen Tätigkeit als Sachverständige aus und beschreiben
typische Problemkonstellationen. In beiden vorliegenden Arbeiten wird
unabhängig voneinander auf Peschel-Gutzeit (1989) Bezug genommen. Sie
listet insgesamt 12 Gründe auf, die sich hinderlich auf einen Umgang
auswirken können; 8 von ihnen liegen bei den Eltern, 4 bei den
Kindern.
Ziel der vorliegenden Arbeit ist
es, der Frage nachzugehen, was aus den Kontakten zwischen Kindern und
nicht sorgeberechtigten Elternteilen geworden ist, wenn die
Sachverständigen empfohlen haben, den Umgang
(zeitlich befristet) auszuschließen.
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Ergebnisse
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Extrapoliert man
daher die Daten, so kann man davon ausgehen, dass die Empfehlung,
den Umgang auszuschließen, in 90 % der Kinder bzw. der Familie dazu
führt, dass kein Umgang mehr zustande kommt. Dies bezieht sich
auf einen knapp 5-jährigen Katamnesezeitraum. Dabei haben sich in den
uns vorliegenden Daten auch keine Hinweise dafür gefunden, dass es mit
der Pubertät bzw. danach, wieder zu einer Kontaktaufnahme kommt, wie
häufig angenommen wird. Von den 17 Kindern, über die uns Informationen
der Eltern vorliegen, waren 6 älter als 14 Jahre; dies entspricht 35,3
%.
Zusammenfassend sind die Ergebnisse sehr ernüchternd und stimmen
nachdenklich. Im Wesentlichen wird durch eine - wenn auch zeitlich
befristete - Empfehlung, den Umgang des nicht sorgeberechtigten
Elternteils auszuschließen, in der Regel der Status quo verfestigt.
Diskussion
Über die Häufigkeit des Umgangsausschlusses finden sich kaum repräsentative Zahlenangaben.
Was
die Gutachtenpraxis anbelangt, so findet sich bei Lempp (1983, S. 154)
die Angabe, dass in den Jahren 1968 bis 1979 in ca. 58 % ein Ausschluss
empfohlen worden sei. Bei Armzen (1994, S. 41) findet sich eine
Ausschlussempfehlung von 24,7 % für die Jahre 1990/1991. Zu einem
ähnlichen Ergebnis ist unsere Untersuchung mit 23% gekommen
.......... Festzuhalten bleibt die deprimierende Bilanz, dass die
Empfehlungen eines »zeitlich befristeten Ausschluss des Umgangs« von
durchschnittlich 11/2 Jahren 41/2 Jahre später anscheinend zu einer
unbefristeten Regelung geworden ist. Dies bedeutet, der Status quo
wird festgeschrieben.
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Andererseits bleibt aber auch festzuhalten, dass die Sachverständigen
betonen, dass es wichtig sei, den Umgang des Kindes mit beiden
Elternteilen zu fördern. Dieser ist nicht nur eine
Notwendigkeit für die weitere förderliche Entwicklung der Kinder; er
ist auch durch die Kindschafts rechtsreform vom 1. Juli 1998 als »zum
Kindeswohl« gehörend definiert worden.
Versteht man
Scheidung und Trennung nicht als singuläre Ereignisse,
sondern als Prozesse, dann stellt sich zwangsläufig die Frage, ob es
ausreichend ist, sich mit der Feststellung eines Ist Zustandes zu
begnügen und daraus entsprechende Empfehlungen abzuleiten, oder ob es
nicht sinnvoller oder gar erforderlich ist, modifizierend in
diesen Prozess einzugreifen. Der Begriff
»Interventionsgutachten«
umschreibt diesen Sachverhalt. Dies ist nur möglich auf
ausdrücklichen
Wunsch des Gutachtenauftraggebers, könnte aber in solchen
Begutachtungsfällen auch nach den ersten Explorationen von Seiten
des
Sachverständigen dem Gericht vorgeschlagen werden. Der Gutachter
wäre
dann in gewissem Sinne ein »Mediator« auf Wunsch des Gerichtes.
Zusammenfassend kann gefolgert werden: Das Ergebnis der hier
vorgelegten Untersuchung hat zu einer kritischen Auseinandersetzung
mit der Frage geführt, ob eine Begutachtung im Sinne der Diagnostik und
Beschreibung eines Ist-Zustandes sinnvoll ist. Insbesondere in Fragen
zur Umgangsregelung erscheint es günstiger, wenn der vom
Sachverständigen angeregte Prozess auch von diesem begleitet wird, im
günstigsten Fall bis hin zu einer einvernehmlichen Regelung, im weniger
günstigen Fall zu einer endgültigen Empfehlung nach Ausloten all
Möglichkeiten.
Anmerkung
VfK, 2009: Geändert hat sich seither leider wenig. Nachwievor wird das
"Wundermittel" Umgangsausschluss eingesetzt. Die Begründung ist meist ,,Kind muss zur Ruhe kommen",
ohne leider die Ursachen des Konflikts anzugehen oder nicht selten auch
nur deutlich genug anzusprechen. Dadurch mag zwar Ruhe im
Verfahren einkehren, ja die "Kindschaftssache"
sich u. U. dadurch wegen anschließendem Eintreten der
Volljährigkeit sogar ganz erledigen, aber entgegen dem viel
strapaziertem Argument "Kindeswohl", wird dadurch, wie von den Autoren
beschrieben, der Kontaktabbruch zwischen Kind und einem Elternteil weit
eher nur verfestigt, mit gravierenden Langzeitfolgen für das Kind.
Nicht selten erfolgt ein Umgangsausschluss auch,
wenn nach einer langen Verfahrensdauer, der Konflikt so
hoffnungslos verhärtet ist, dass man praktisch keinen Ausweg sieht, als
zu kapitulieren. Statt dessen sollte man den Anfängen wehren.
Erfreulich ist daher, dass in dem im Sept. 2009 in Kraft tretenden FGG-Reformgesetz,
statt reiner Statusdiagnostik die von den Autoren vorgeschagenen
.»Interventionsgutachten« als "lösungsorientierte Begutachtung"
vorgesehen ist, wenn auch nur als Kann-Bestimmung. Es soll auch
deutlicher auf Möglichkeiten der außergerichtlichen
Konfliktlösung durch Beratung oder Mediation hingewiesen
werden, allerdings ohne ein Anforderungsprofil festzulegen, das
ausreichende Qualität solcher Angebote sicher stellen würde oder
gar einem ersthaften Versuch mit einem solchen
Angebot verpflichtend zu machen, wie es in z. B. in Staaten der USA schon seit Jahrzehnten der Fall ist, einschließlich auch vom Gericht angeordneter Therapie. In Östereich
wurde, statt blosser Hinweise auf Mediation, vor Jahren
schon, nach Modellversuchen ähnlich denen wie sie auch in
Deutschland einmal erfolgreich durchgeführt wurden, gerichtsnahe
Ko-Mediation eingeführt, mit einem genau spezifizierten hohem
Anforderungsprofil an das Psychologen-Juristenteam (möglichst auch
männlich-weiblich) und gestaffelten Gebühren, je nach Einkommen der
Eltern. Selbst die äußerst bescheidenen Ansätze im FGG-Reformgesetz
sind jedoch auf heftigste Proteste ideoligisch motivierter
Interessengruppen gestoßen, mit Behauptungen über "Zwangsberatung",
"Zwangsmediation", oder "Zwangstherapie" etc. Aufforderungen zur
Therapie, wie sie auch von deutschen Familiengerichten manchmal
erfolgen, sind allerdings bisher nach einer Beschwerde von den
Berufungsgerichten regelmässig wieder "kassiert" worden.
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