Information von Väter für Kinder e.V.:

 

PAS und Systemische Familientherapie

In einem neueren Interview (FOCUS Nr. 50 v. 13.12.1999, S. 222-223) bezeichnete die Psychotherapeutin Frau U. Kojdoe eine systemische (nicht, wie im Druck: systematische) Familientherapie als den Königsweg zur Überwindung einer Eltern-Kind-Entfremdung (PAS). Der programmierende Elternteil sollte dabei Zugang zu seinen eigenen Ängsten bekommen. Gleichzeitig sollte der abgelehnte Elternteil seinen Anteil erkennen, damit er den Umgang mit dem Kind verändern kann (vgl.Eltern-Kind Entfremdung (PAS) meistern). Es gäbe ja auch den missbräuchlichen Umgang des umgangsberechtigten Elternteils. Ziel sei es, die Kinder durch die miterlebten Bemühungen beider Eltern bei der Lösung ihres Konflikts aus dem Familienkampf zu entlassen.

Systemische Familientherapie geht von der zentralen Annahme aus, dass psychische Störungen nicht quasi in einer Person "verankert" sind, sondern sich in der Kommunikation der einzelnen Mitglieder eines Systems, hier der Familie, herausbilden und manifestieren. Daher sollten bei der Therapie auch alle Personen einbezogen werden die an der Entstehung des psychischen Problems beteiligt sein könnten.

Der Königsweg einer systemischen Familientherapie bei gravierenden Sorge/Umgangsproblemen ist in Deutschland leider immer noch weitgehendst versperrt, solange eine Therapie, ja nicht einmal eine Beratung, nicht verpflichtend ist, d.h. durch ein Gericht angeordnet und überwacht wird. Ein Elternteil der sich ohnehin im "Besitz" des Kindes wähnt und alles daran setzt es dem anderen Elternteil zu entfremden wird wohl kaum freiwillig Beratung und Therapie anstreben, schon gar nicht unter Mitwirkung des "gehassten" Elternteils. Fast definitionsgemäß fehlt es diesem Elternteil an jeder Einsicht in den dem Kind dabei zugefügten seelischen Schaden. Bloße Appelle an die Vernunft und Freiwilligkeit sind daher fast immer völlig wirkungslos. Das hat man zum Beispiel in den USA schon längst erkannt. Vielfach ist dort, als Präventionsmaßnahme, eine Beratung über Scheidungsfolgen für Kinder verpflichtend, die von Eltern und minderjährigen Kindern auch bei einer nichtstrittigen Scheidung absolviert werden muß, bevor die Scheidung ausgesprochen wird. Kalifornien und Florida etwa verlangen auch, dass die Familie eine Mediation versucht, bevor Sorge-/Umgangsrechtsfragen vor Gericht ausgetragen werden können, was sich als sehr wirkungsvoll erweist. Falls dann diese Fragen immer noch strittig sein sollten, gibt es in den meisten Staaten einen Katalog weiterer psychologischer Interventionsmaßnahmen per Anordnung und unter enger Aufsicht des Gerichts, vgl. Johnston &Roseby, 1997, In the Name of the Child, Kap. 9, neben Sanktionsmaßnahmen bei Nichtbefolgung gerichtlicher Anordnungen. Dabei läßt sich durch Statistiken gut belegen, dass Vereinbarungen die möglichst freiwillig, auf Grund einer möglicherweise zunächst nicht freiwilligen Beratung, aber nach beidseitiger Einsicht in die Konsequenzen für das Kindeswohl, viel "haltbarer" sind, als Regelungen die unter (gerichtlichem) Druck zustandekommen.

Ward&Harvey, 1993 ( Familienkriege -die Entfremdung von Kindern, 1998) erläutern im Detail, wie bei PAS Fällen die verschiedenen Helfer, wie Anwälte, Mediatoren, Therapeuten und ein Anwalt des Kindes zusammenarbeiten sollten. Dem Gericht kommt dabei die Rolle zu diese Maßnahmen zu koordinieren und durchzusetzen, in den USA vielfach durch einen eigenen Manager (case manager, special master, family master, oder wiseperson). Sie fordern, dass Therapeuten und Gutachter mit dem systemischen Familienansatz vertraut sind und das ganze System, Kinder, Eltern, aber auch andere im Leben des Kindes wichtige Erwachsene, einbeziehen und diese, wenn möglich, sogar an einen Tisch bringen. Das Ziel einer Therapie ist es, das Verhalten der Eltern gegenüber dem Kind zu verändern und das Kind aus dem Konflikt zu befreien. Die traditionelle Einzeltherapie sei hierbei nicht hilfreich, weil sie dazu tendiert, nur eine Seite parteinehmend zu unterstützen und so die Entfremdung zu verstärken.

Johnston &Roseby, 1997, Kap. 10, S. 207, erachten die Therapie eines Kindes auf Veranlassung eines Elternteils, ohne Wissen und Zustimmung des anderen Elternteils, als eine sehr fragliche Praxis, die sogar einem Kunstfehler gleichkommen kann, weil der Therapeut dann fast immer als Verbündeter des einen Elternteils gegen den anderen gesehen wird und so der Konflikt verstärkt wird. (Es ist uns auch aus Deutschland gut bekannt, dass manche Elternteile einen regelrechten Therapeutentourismus betreiben, bis sie jemanden finden der ihre Ansichten voll bestätigt. Alle anderen Sachverständigen werden als "inkompetent" und/oder "befangen" abgelehnt.) Sie beschreiben an Fallbeispielen wie Kinder, in Abhängigkeit von ihrer Entwicklungsstufe, bei hochstrittiger Trennung/Scheidung mit Ängsten, Loyalitätskonflikten und anderen psychischen Störungen reagieren oder sich, selbst ohne explizite Programmierung, auf die Seite eines, meist des vermeintlich schwächeren Elternteils ("Opfers") schlagen. Die beiden Elternteile entwickeln nicht selten fast diametral entgegengesetzte "Realitäten" und sind sich der Wirkung ihres Verhaltens auf das Kind nicht richtig bewußt. Schon deshalb ist die eine systemische Betrachtungsweise, unter Einbeziehung beider Elternteile und sonstigen wichtigen Familienmitglieder erforderlich. Unbestritten ist aber auch, dass es hochgradig pathologische Beziehungen eines Elternteil zum Kind gibt (folie à deux), meist unter weitgehendem oder völligem Ausschluß, aber Verteufelung des anderen Elternteils. Johnston & Roseby zeigen wie mit beiden Elternteilen und dem Kind therapeutisch gearbeitet werden sollte, unter Kenntnis des gesamten Familiensystems, um aus dieser Entwicklung herauszuführen und die Eltern dazu zu bringen im Sinne des Kindeswohls zu kooperieren, oder wenigstens entsprechende getrennte Eltern-Kind Beziehungen aufzubauen.

Johnston & Roseby weisen, wie Ward & Harvey, auf die Machtbefugnis und Rolle des Gerichts als Koordinator von Interventionsmaßnahmen bei hochstrittigen Sorge/Umgangsfragen hin. Alle ihre Klienten in zwei Jahrzehnten wurden durch das Familiengericht an sie zur Beratung/Therapie überwiesen. Die traditionellen Ansichten über die Rolle des Gerichts halten die beiden Therapeutinnen für sehr fraglich (S. 223). Wenn Eltern nicht zu einer Entscheidung kommen können, wird traditionell das Gericht angerufen, - als ob Gerichte die größere Weisheit oder spezielle Kenntnis darüber besitzen würden, was dem Kindeswohl am besten dient. Zweitens wird erwartet, dass Gerichte in loco parentis bei sehr zerstrittenen Eltern agieren könnten, - als ob Gerichte die tägliche Betreuung der Kinder beobachten könnten. Drittens wird der Sorgerechtsprozess traditionell primär dazu benützt zu bestimmen wer der "bessere" Elternteil ist und den anderen auf einen sekundären, minderwertigeren Status zu reduzieren, -als ob es angebracht wäre streitende Eltern zu einem höheren Standard zu halten, als andere Eltern. Viertens, wird von Richtern vielfach erwartet, Familienstreitigkeiten zu lösen, nachdem Anwälte, Therapeuten etc. dabei erfolglos waren, -als ob Richter irgendeine spezielle Gabe hätten, die schwierigsten und kompliziertesten aller Familienkonflikte zu lösen.

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