FamRZ 2000, Heft 10, S. 627-629 (auszugsweise)
OLG Zweibrücken -BGB §§1626,1628,1671,1687; ZPO §§623 ,613;FGG §52; SGBVIII §§ 17,18
5. ZS FamS, Beschluß v. 23.11.1999 -5UF 88/99
Beiden Elternteilen wurde eine psychologische und sozialpflegerische Beratung angeboten. Zunächst versagte sich dem der AGg, später als dieser bereit war, lehnte die ASt ab. Beim FamG erzielten die Eltern Einvernehmen darüber, dass der AGg. betreuten Umgang mit dem Kind haben solle. Beide Eltern haben beantragt, ihnen die elterliche Sorge jeweils allein zu übertragen, der AGg jedoch nur, falls es nicht beim gemeinsamen Sorgerecht verbleiben könne. Das FamG hat beide Elternteile und das Jugendamt [JA] angehört. Es hat sodann die Ehe der Eltern für geschieden erklärt und die eöterliche Sorge für das Kind der Ast übertragen. Gegen dieses Urteil hat der AGg Beschwerde eingelegt.
Das angefochtene Urteil beruht bezüglich der Sorgerechtsregelung auf einem wesentlichen Verfahrensfehler i. S. von §539 ZPO, einer auch im Verfahren nach FGG entsprechend anwenbaren Vorschrift (vgl. FamRZ 1998, 960). Es ist im Umfang der Anfechtung aufzuheben.
Damit die Regelung von Dauer sein kann, bedarf die Entscheidung über die elterliche Sorge einer genügenden sachlichen Grundlage. Diese fehlt dem angefochtenen Urteil, weil das Gericht den Sachverhalt nicht hinreichend aufgeklärt hat.
Gemäß §52 FGG kann bei Anträgen auf Übertragung der alleinigen elterlichen Sorge ingesamt oder in Teilen davon das Verfahren ausgesetzt werden. Dies ist nicht vom Einverständnis der Eltern abhängig, sondern von einer sachgerecht getroffenen Einschätzung des Gerichts. ...
Aufgrund des Berichts des JA bestand Anlaß zur Aussetzung des Verfahrens. Es war bisher noch nicht gelungen, den Eltern Sinn und Zweck der Beratung zu vermitteln. Das FamG hat hierzu ebenfalls keinen Beitrag geleistet. Es hat auch nicht dargelegt, dass es Erkenntnisse hatte, die die Erfolgslosigkeit eines solchen Unterfangens zeigten.
Der Vorrang der Elternautonomie gebietet es eine gerichtliche Entscheidung erst zu treffen, wenn sich die Eltern nicht mehr einigen können. .Die Erarbeitung eines gemeinschaftlichen Konzepts, das nicht notwendigerweise auf die Beibehaltung der elterlichen Sorge gerichtet sein muß, bedarf einer ausreichenden Zeit (vgl. Haase, Salzgeber, FuR 1994, 16, in der Regel drei Monate).
Falls es der Einwirkung auf die Eltern durch das FamG bedurft hätte, hätte im Wege einer mündlichen Anhörung (früher erster Termin) das FamG die Eltern über die Pflichten als Eltern und das ihnen eröfnete Beratungsangebot aufklären, ggf. auch unter Aufzeigen von Sanktionsmöglichkeiten die Motivation fördern müssen [Hervorhebung durch VfK e.V.].
.....Dem Wohl des Kindes entspricht es deswegen, dass jeder Elternteil dazu beiträgt, dem Kind diese Rechtsbeziehung zum anderen Elternteil weitestmöglich zu erhalten und nicht wegen eigener Kommunikationsschwierigkeiten zu beschneiden. .. Es ist mit der dem Elternrecht immanenten Pflichtenbindung nicht vereinbar, dass ein Elternteil darüber entscheiden kann, ob das Kind den anderen Elternteil erleben kann (vgl. Rummel, ZfJ 1997, 202-211).
Zur Schaffung einer Grundlage für ein autonomes Handeln auch im Paarkonflikt und bei einer etwaigen Überforderung die Gefahr des Versagens zu verringern gibt das Gesetz Hilfen in der Trennungs- und Scheidungsphase... Sie anzunehmen ist ein Teil der Elternpflicht (vgl. Rummel, ZfJ 1997, 202, Dickmeis, DaVorm 1993, 866, 878). Diese Hilfen begrenzen die Intensität der Intervention i. S. des Verhältnismäßigkeitsgrundastzes (Rummem, aaO., ders. KindPrax 1998,77). Ist die Entsxcheidung des FamG folglich subsidiär gegenüber der sozialpflegerischen Intervention, ist vorher festzustellen und zu begründen, dass und warum eine Kooperation unter den Eltern ausgeschlossen ist /vgl. Coester, FamRZ 1992, 617). Das ergibt sich schon aus §1671 BGB, weil eine Einigung der Eltern die Regelung durch das FamG überhaupt entbehrlich macht....
..hat es [das FamG] auf die Wichtigkeit der Beratung hinzuweisen und, falls erforderlich, mit seiner Autorität Bereitschaft zur Annahme der Hilfe zu erzeugen (vgl. Willutzki, KindPrax 1998, 135). Mit einem solchen Verfahren soll auch dem distanzierten Elternteil aufgezeigt werden, dass eine Verweigerungshaltung, die dazu führt, dass die Beziehung des Kindes zum anderen Elternteil notleidet, vom Staat in dessen Wächteramt nicht hingenommen wird und im Interesse des Kindes nötigenfalls sanktioniert werden muß[Hervorhebung durch VfK e.V.].
Das Verhalten eines Elternteils in der Beratungsphase...vergleichbar die Mitwirkung im Vermittlungsverfahren gem. $52a FGG .. ist Bestandteil der Kindeswohlprüfung. Die Verweigerung der Annahme von Beratung kann als kindeswohlfeindliche Unterlassung zu werten sein. Das Nichterscheinen eines Elternteils zum Gespräch ..kann als Anhalt gewertet werden, dass das alleinige oder gemeinsame Sorgerecht dazu missbraucht würde, die ungestörte Entwicklung des Kindes zu beeinträchtigen (vgl. OLG Bamberg, FamRZ 1999, 805; Rummel aaO.;, Dickmeis aaO., S. 875; Runge FPR 1999, 142).
......ASt. hat in erster Instanz keine Gründe gennannt, warum sie eine gemeinsame elterliche Sorge ablehnt. Auch ist die Argumentation des FamG nicht richtig. Der Paarkonflikt indiziert nicht i. S. einer Vermutung, einem mit ihm verknüpften Elternkonflikt. Daher obliegt es dem Elternteil, der die Sorge allein ausüben will, konkret den Elternkonflikt aufzuzeigen. [Hervorhebung duch VfK e.V.].
....Einzelheiten zum vorliegenden Fall ..Umstände, die die Beziehung des Kindes zum anderen, nicht betreuenden Elternteil belasten oder fördern,, haben eine besondere Bedeutung. Die Umgangstoleranz etwa ist, siehe §52a V S2. FGG ein wichtiges Kriterium (vgl. auch OLG Frankfurt, ZfJ 1999, 343)......
Kommentar(VfK): Wir halten diese Entscheidung für bahnbrechend in einer Richtung, wie wir sie schon sehr lange fordern, auch in Hinblick darauf, dass verpflichtende Beratung z. B. in den USA schon längst selbstverständlich ist und sich bewährt hat. Natürlich kann man auch dort niemand zur Einsicht zwingen. Aber das Gericht kann und sollte sehr wohl seine Autorität nützen, notfalls auch unter Androhung von Sanktionen, die Eltern an ihre Verantwortung zu errinnern, ggfs. Beratung anzunehmen um schließlich doch zu einem dem Kindeswohl am besten dienenden Sorgekonzept zu finden. In der jetzigen deutschen Praxis ist es doch sehr häufig so, dass der Elternteil, der sich schon im "Besitz" des Kindes sieht ( z. B. durch "Flucht" mit dem Kind), Beratungen ablehnt, und dann noch erwartet (und sehr oft auch erwarten kann), die alleinige Sorge, aufgrund von "Kopfschütteln", ohne Dokumentation konkreter Probleme auf der Elternebene, zugesprochen zu bekommen.
vgl. zu Beratung durch die Jugendhilfe und der Rolle von psychologischen Sachverständigen, insbes. unseren Beitrag aus 1998: Jugendhilfe und Trennungsberatung mit Auszügen aus Aufsätzen von Uwe Jopt, Wera Fischer und Christine Knappert.