Information von Väter für Kinder e.V.:

Kinderrechte unter Vorbehalt

Unter diesem Titel brachte die Süddeutsche Zeitung am 20.11.1999 zum 10. Jahrestag der UN Kinderrechtskonvention einen kritischen Beitrag von Cathrin Kahlweit. Wir bringen daraus einige bemerkenswerte Zitate, insbesondere zum Familienrecht.

Als der elfjährige Raoul Wüthrich in einem amerikanischen Gefängnis einsass, weil eine Nachbarin meinte, er habe seine Schwester sexuell belästigt, war in Deutschland viel von den mangelhaften Rechten der Kinder in den Vereinigten Staaten die Rede. Meist wurde in Berichten und Kommentaren tadelnd und verständnislos hinzugefügt, dass außer Somalia nur die USA die Kinderrechtskonvention der Vereinten Nationen nach wie vor nicht ratifiziert haben.

Dabei hat gerade die Bundesrepublik allen Anlass, sich im eigenen Glashaus sehr vorsichtig zu gebärden. Bis heute wird die Konvention in Deutschland nur unter dem Vorbehalt angewandt, dass die Vorgaben der UN-Konvention durch Regelungen des Familien-, Ausländer- und Asylrechtes eingeschränkt werden können. Und das tat man in Bonn, tut man in Berlin denn auch fleißig. So fleißig, dass Unicef, das Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen, eine eklatante Verletzung von Kinderrechten in Deutschland beklagt.

Kinderzimmer oder Kinderknast

Unter diesem Untertitel wird ausgeführt, dass eine Reihe deutscher Regelungen, asylsuchende Jugendliche und unbegleitetete Flüchtlingskinder betreffend, dem Artikel 3 der Kinderkonvention, der das Kindeswohl an die erste Stelle setzt, widersprechen.

„Falsches Signal“

Auch seine [die Rede ist von Innenminister Otto Schily] Kollegin im Justizressort, Herta Däubler-Gmelin, fachlich für die familienrechtlichen Vorbehalte zuständig, denkt nicht an eine Rücknahme der deutschen Einschränkungen (im Fachjargon „Interpretationen“ genannt). Sogar jene Vorbehalte, in denen die Bundesregierung inhaltlich mit der Kinderkonvention konform geht, dürften daher vorerst beibehalten bleiben: Die UNO war schon vor zehn Jahren so modern gewesen, dass sie ein gemeinsames elterliches Sorgerecht nicht nur für eheliche, sondern auch für uneheliche Kinder vorsah. Das Kindschaftsrecht in Deutschland wurde 1998 so geändert, dass Eltern bei einer Trennung oder Scheidung die gemeinsame Sorge automatisch übernehmen – es sei denn, einer der Partner widerspricht. Einen entsprechenden Automatismus für uneheliche Kinder gibt es allerdings nicht.

Eben deswegen aber, so ist aus dem Justizministerium zu hören, will man den eigentlich anachronistischen familienpolitischen Vorbehalt gegen die Kinderkonvention der UN nicht aufheben: Dann nämlich, so unkt ein Mitarbeiter des Ministeriums, „stünden alle Organisationen von Vätern nicht-ehelicher Kinder hier auf der Matte und wollen ein automatisches Sorgerecht.“ Wie im Innen- so auch im Justizministerium dominiert die Angst, dass eine Rücknahme einzelner Vorbehalte zu „konkreten Forderungen einzelner Interessengruppen führen könnte“, so ein Sprecher, der sich lieber bedeckt hält. „Deshalb wäre eine Aufhebung einzelner Vorbehalte ein falsches Signal.“

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Dazu auch aus dem Interview mit der Ministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, Christine Bergmann, ebenfalls auf Seite 14 der SZ vom 20.11.1999:

SZ: Zehn Jahre UN-Kinderrechtskonvention – in Deutschland ist sie in einigen Punkten nur unter Vorbehalt in Kraft. Wo bleibt die versprochene Rücknahme einiger Vorbehalte?

Bergmann: Es gibt fünf Punkte, zu denen die alte Bundesregierung Erklärungen abgegeben hat, beispielsweise zu der Frage des gemeinsamen Sorgerechts, das wir ja gerade geändert haben. Ein Vorbehalt bezieht sich auf das Mindestalter von Kindersoldaten. Nach unserer Meinung sind 15 Jahre zu niedrig. Und es gibt den Vorbehalt im Bereich der Einreise und des Aufenthalts bei Minderjährigen. Wir diskutieren im Moment die Möglichkeit der Rücknahme im Vorfeld des Staatenberichts, den wir abgeben werden.

SZ: Sie wollen Kinder vor Gewalt schützen. Muss man dann nicht die Kinder, die Gewalt erlitten haben und hier um Asyl bitten, schützen?

Bergmann: Natürlich sollen Flüchtlingskinder angemessenen Schutz und humanitäre Hilfe bekommen. Über die Konsequenzen der Rücknahme der Vorbehalte wird es Gespräche geben.

SZ: Wie ist denn Ihre Meinung dazu?

Bergmann: Es wäre mir lieb, wenn wir die Vorbehalte generell streichen könnten. Aber ich muss auch die rechtlichen Bedenken ernst nehmen

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Gespräch: Heidrun Graupner

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vgl. dazu unsere Berichterstattung vom 21.7.1999:

Kommentare der Bundesjustizministerin vor der Kinderkommission zu deutsch-französischen Kindesentführungen und den Vorbehalten der Bundesrepublik zur UN-Kinderrechtskonvention. Auch hier wieder der Hinweis auf Kindersoldaten. Demnach liegen die Probleme wohl allein bei den anderen (im Ausland).

 

Übereinkommen über die Rechte des Kindes. Die UN-Kinderrechtskonvention (einschließlich der Vorbehalte Deutschlands).

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