KIND  -  FAMILIE - MENSCHENRECHTE

 

 

INFORMATION

 

Väter für Kinder e.V.

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Nummer    5/98

verantwortlich i.S.d.P.:  Dr. A. Schneider  / Vorsitzender

                                                                                                                                                                                                                            

 

 

 

Verhandeln in

 höchststrittigen Sorge- und Umgangsrechtsangelegenheiten

 

Teil 2

 

 

 

Getting past No:            William L. Ury

                                   Schwierige Verhandlungen

                                   Campus Verlag

  

 

Die ungenügende normative Ausgestalltung des deutschen Familienrechtes wird auch nach seiner anstehenden Reform dazu führen, daß weiterhin in vielen Fällen der Kontakt zwischen Kindern und Vätern nach elterlicher Trennung gegen deren Willen durch eine unqualifizierte Verweigerungshaltung der Mutter, der sich in Folge dann auch die offiziellen Scheidungsbegleiter anschließen, eingeschränkt oder gänzlich unterbunden wird.

Unsere Beobachtungen zeigen aber auch, daß häufig die eigentliche Verfahrensgestaltung (siehe VfK-Info 10/95, Schweigen) zu einem emotionalen väterlichen Verhalten vor Gericht führt, daß - aus einigem Abstand betrachtet - letztendlich erst die eigentliche Begründung für eine gerichtliche Umgangseinschränkung liefert!

Ury zeigt hier in fünf Schritten auf, wie in Situationen unqualifizierter Verweigerungshaltung die größten Fehler auf Seiten des Schwächeren vermieden werden und ein günstigeres Verhalten zu besseren Ergebnissen führt.

In einem ersten Schritt gilt es, die eigenen Emotionen unter Kontrolle zu bekommen. Ury rät, hierzu „innerlich auf den Balkon“ zu treten und die Situation somit aus einer höheren Warte zu betrachten. Somit wird einer der größten Fehler vermieden, nämlich unmittelbar unangemessen zu reagieren, denn der Autor geht davon aus, daß in diesen Situationen von der Gegenseite unfaire Taktiken angewandt werden, die eben genau die Provokation einer unangemessen Reaktion zum Ziel haben.

Als ein Beispiel sei der in höchststrittigen Verfahren schon übliche Mißbrauch mit dem sexuellen Kindes-Mißbrauch angeführt, der von der vorzeitigen Übertragung des Sorgerechtes auf die Mutter dadurch ablenkt, daß der beschuldigte Vater fortan vordringlich mit seinem Unschuldsbeweis beschäftigt und anschließend froh ist, wenn er sein Kind irgendwann einmal überhaupt wiedersehen darf! Strengt er gar ein gerichtliches Verfahren gegen die Mutter wegen dieser Verleumdung an, so darf man sicher sein, daß anschließend der Kontakt zwischen Vater und Kind aufgrund der Spannungen zwischen den Eltern gerichtlicherseits eingeschränkt wird.

Ist es gelungen, der Provokation mit einem angemessenen und für den Gegner überraschenden Verhalten zu begegnen, so besteht der nächste Schritt darin, an die Seite des verweigernden Verhandlungspartners zu treten. Ein weiterer großer Fehler besteht darin, den stärkeren Verhandlungspartner überzeugen zu wollen. Dieser Versuch ist zum Scheitern verurteilt, da dieser Argumenten gegenüber nicht nur nicht aufgeschlossen, sondern in der Regel subjektiv von der Richtigkeit seines Handels überzeugt ist!

Hier ist nun ein Anerkennen der Gefühle, der Autorität und der Kompetenz des Gegners günstig, wobei aus einer Position der persönlichen Stärke heraus ohne Provokation auf das gegnerische Verhalten und mögliche Folgen aufmerksam zu machen ist.

In der nun folgenden Phase besteht die große Gefahr, daß beide Kontrahenten in alte Gewohnheiten verfallen. Dem Schwächeren erscheinen die Forderung des Kontrahenten nach wie vor unfair und er neigt dazu, diese einfach abzulehnen. Der Kontrahent bezieht die alte Gegenposition und ist in dieser Situation selbst für vernünftige Kompromißvorschläge nicht zugänglich. Das alte Spiel mit starren Standpunkten und unfairen Taktiken könnte leich von vorne beginnen.

Bei der Lösung dieses Problems spricht Ury von der "Kunst des Umfunktionierens". Hierbei werden die Inhalte der Worte beibehalten, aber deren Kontext von einem Feilschen um Positionen zu einem problemlösenden Verhalten uminterpretiert“. Ury spricht auch von einem "Rahmenwechsel". Indem man so tue, als ob der Kontrahent an einer sachgerechten Problemlösung interessiert sei, erhöhe sich die Wahrscheinlichkeit, daß er tatsächlich dieser positiven Vorgabe folge.

Folgt er dieser jedoch nicht und kommt es immer noch nicht zu einer Einigung, so sind nach Ansicht des Buchautors für diese Situation häufig drei Gründe verantwortlich:

·       Der Gegner glaubt nicht, daß der Vorschlag allen seinen grundlegenden Interessen gerecht wird.

·       Er kann sich nicht mit dem Vorschlag identifizieren.

·       Er befürchtet, sein Ansehen zu verlieren.

Der letzte Grund bedarf einer kurzen Erläuterung, da er so für den Schwächeren der beiden Kontrahenten nicht unmittelbar einsichtig ist. Man muß sich vor Augen führen, daß auch der übermächtige Verhandlungsgegner in ein Umfeld eingebunden ist, in dem er einen oder mehrere Berater um sich hat.

Bei familiärer Trennung sind dies auf Seiten der Kindesmutter in der Regel der neue Lebenspartner oder ihre Eltern, und hier besonders die Mutter der Kindesmutter. Bei allen Vorschlägen, die unterbreitet werden, muß unbedingt berücksichtigt werden, daß die Kindesmutter diesen annehmen können muß, ohne gegenüber ihrem Berater das Gesicht zu verlieren! Denn seine Engstirnigkeit kann durchaus weniger durch seine persönlichen Gefühle in bezug auf den Vorschlag bedingt sein als durch die Zwänge, die ihm von seinen Bezugsgruppen auferlegt werden (S. 144).

In einer solchen Situation gilt es nun, dem immer noch verweigernden Verhandlungsgegner eine "Goldene Brücke“ zu bauen. Gerade in Situationen von Umgangsverweigerung stellt dieser Schritt dem sich in seinen vermeintlich durch Grundgesetz und internationalen Menschenrechtskonventionen zugesicherten Grundrechten tief verletzt fühlenden Vater eine fast nicht zu lösende Aufgabe, nämlich zu einem Partner des Kontrahenten zu werden, der ihm hilft, eine für ihn und seine Bezugsperson akzeptable Erklärung für eine Änderung des ursprünglichen Standpunktes zu finden.

Das Bauen einer Goldenen Brücke ist ein sehr schwieriger und iterativer Prozeß, dessen erfolgreiche Bewältigung bedingt, daß der Verhandlungsgegner an der Lösungsfindung beteiligt wird, die eigentliche Lösung seine Idee ist und ihm somit auch der Verdienst an der Einigung zu überlassen werden sollte!

Die Gestaltung der fünften Phase hängt davon ab, ob er Kontrahent sich zum Betreten der Goldenen Brücke entschlossen hat oder eben nicht. Weigert sich der Gegner trotz aller Bemühungen immer noch, so wird es notwendig, die eigene Macht ins Spiel zu bringen. Diesbezüglich legt Ury sein Augenmerk wiederum auf die Vermeidung der häufigsten Fehler, die der schwächere Verhandlungspartner diesbezüglich zu machen verleitet wird.

Nach wie vor sollte auf jeden Fall vermieden werden, den Krieg eskalieren zu lassen, denn dies macht in Situationen, in denen der andere einen erheblichen Machtvorsprung besitzt, immer noch wenig Sinn. Die eigene Macht würde destruktive Wirkung haben, sie sollte jedoch konstruktiv eingesetzt werden, denn Ziel des Machteinsatzes ist es, den Gegner nun endlich zum Betreten der Goldenen Brücke zu bewegen!

Hierzu gehört es, den Kontrahenten nicht zu bekämpfen, sondern ihn aufzuklären. Ebenso sollten offene Drohungen vermieden werden, da hierdurch sein Ego und seine eigene Selbstachtung in Gefahr geraten und er sich mit dem Rücken zur Wand gedrängt fühlt. Warnungen, die im höflichen Ton und in einem Geist der Achtung geäußert werden, erzielen eine wesentlich günstigere Wirkung. Nach Ury gilt, daß je unheilvoller die Warnung ausfällt, desto mehr Respekt der Person des Gegners entgegenzubringen ist.

Ury beschreibt weitere Verhaltensweisen, die selbst zu studieren dem Leser hier nicht abgenommen werden kann. In Bezug auf unsere Grundproblematik scheint der faire und respektvolle Umgang mit dem Kontrahenten auch von entscheidender Bedeutung für den Erfolg vor dem Familiengericht zu sein! Denn hier ist nicht das Verhalten der Mutter gegenüber dem Vater wesentlich, sondern das väterliche Verhalten. Als Vater muß man sich vor Augen halten, daß die vorgegebene Symbiose Mutter/Kind als schützenswert empfunden und somit unfaires oder gar illegitimes väterliches Verhalten letztendlich durch gerichtliche Umgangseinschränkung (in guter Absicht) bestraft wird!

Hat der Gegner nun endlich die Goldene Brücke betreten, so ist damit das von Ury beschriebene Verfahren jedoch noch nicht abgeschlossen. Aus unterschiedlichen Gründen kann es zu einer Übereinkunft kommen, die sich aber in der Folge nicht als eine solche erweist. Bei der erzielten Übereinkunft ist also im besonderen Maße auf Stabilität und Dauerhaftigkeit zu achten. Ein wesentlichter Faktor für eine auch tatsächlich dauerhaft praktizierte Übereinkunft ist eine Festigung der Beziehung der ehemaligen Kontrahenten durch den Aufbau einer guten Arbeitsbeziehung.

 

 

 

Persönliche Abschlußbemerkung:

 

Die Motivation des Autors, dieses VfK-Info zu schreiben, kann nach den bisherigen Ausführungen leicht mißverstanden werden.

Weder das Herumtricksen noch das Hereinlegen der Gegenseite unter Zuhilfenahme psychologischer Tricks ist das Anliegen dieses Infos, und ebensowenig das Paktieren mit oder die Kapitulation vor dem Mutterprimat.

Wird in einer Trenungssituation der Umgang zwischen einem väterlichen Vater und seinen Kindern unterbunden, so bedeutet dieser Umstand eine der extremsten Lebenssituationen, der ein Mensch ausgesetzt sein kann. Für diese Väter bedeuten ihre Kinder einen ihrer zentralen Lebensinhalte und -aufgaben, auch wenn sich dies nicht immer während der Zeit der gemeinsam gelebten Familie objektivieren läßt!

Und es haben - wie könnte es auch anders sein - die Kinder für die entsprechenden Mütter eine vergleichbare Bedeutung. Erst über ihre Kinder finden genau diese Mütter ihre Selbstbestätigung und ihren Selbstwert. Die Erlangung massiver materieller Vorteile soll hier an dieser Stelle zwar erwähnt werden, für die abschließenden Betrachtungen jedoch ganz in den Hintergrund treten.

Familie und Kinder sind nicht nur für die Einzelpersonen von besonderer Wichtigkeit, sondern für uns alle. Die Familie ist die Keimzelle unserer Gesellschaft und unsere Kinder sind unsere Zukunft. Sie sind die Saat, die wir säen.

Vor allem aber haben unsere Kinder ein Recht auf alle Entwicklungschancen, auf Geborgenheit, auf Liebe von und zu beiden Elternteilen. Für die Kinder verschmelzen väterliche und mütterliche Familie zu einer einzigen großen, nämlich ihrer Familie.

Die Trennungssituation bedeutet einen katastrophalen Einbruch in ihr unschuldiges Leben mit lebenslangen Folgen! Manche Experten gehen davon aus, daß mit dem Kontaktabbruch zu einem geliebten Elternteil der "Verlust des kindlichen Urvertrauens" einhergeht.

Und selbst in den Fällen, in denen Kinder ihren leiblichen Väter nie erlebt haben, gehen sie irgendwann einmal für den Rest ihres Lebens auf die Suche nach diesem Teil ihrer Identität.

In einer solch extremen Situation hat der staatliche Wächter eine Abwägung von Grundrechten der Eltern gegenüber dem Kindeswohl, dem Kindeswohl gegenüber ihrer Bedeutung für unsere Gemeinschaft und auch gegenüber der Menschlichkeit durchzuführen.

Leider zeigen unsere Beobachtungen, daß der staatliche Wächter in vielen dieser höchststrittigen Fälle diese seine Aufgabe eben nicht erfüllt! Es mögen hierfür unterschiedliche, nachvollziehbare Gründe verantwortlich sein - das eigene Mutterbild oder Andenken, Zwänge des gesellschaftlichen Alltags, Formalismen,  Gewohnheit, eine aus dem Blickwinkel der offiziellen Scheidungsbegleiter bewährte Verfahrensweise. Gleichwohl, dieser Aufgabe wird quantitav und qualitativ leider allzuoft nicht entsprochen.

Viele Väter tragen ihren Anteil dazu bei, daß dies so sein oder so geschehen kann. Da sind zunächst einmal diejenigen, die keine väterlichen Gefühle zu entwickeln in der Lage sind und sich durch Entzug ihrer Verantwortung entziehen. Hierzu sollen auch die gezählt werden, die meinen, der väterlichen Verantwortung durch großzügigen Unterhalt und ebenso großzügigen persönlichen Rückzug gerecht zu werden.

Da sind aber auch diejenigen Väter, die nach der Trennung Väter bleiben oder gar ohne vorheriges gemeimsames Familienleben für das Kind Vater werden möchten. Diese werden jedoch im förmlichen Verfahren von allen offiziellen Scheidungsbegleitern an den zuvor genannten gemessen. Im förmlichen Verfahren ist geradezu ein Prinzip erkennbar, daß sich bei Aufbegehren des Vaters gegen den festen mütterlichen Willen daran versucht - und zwar äußerst erfolgreich -, diesen ihre Schranken aufzuzeigen.

Sachgerechtes Verhandeln nach Ury und Autorenkollegen ist eine Methode, mit diesem Wirkprinzip umzugehen. Sachgerechtes Verhandeln bedeutet

·         Schutz.

Dieser Schutz stellt sich jedoch keinesfalls automatisch durch Lesen dieser Bücher ein, denn der Begriff des "Sachgerechten Verhandelns“ stellt eine vereinfachte Verkürzung des amerikanischen Originalbegriffes "principled negotiation" dar. Eine zwar umständlichere, aber treffendere Übersetzung würde zielgerichtet und prozeßbewußt lauten, wobei sich das Ziel auf das Erreichen eines optimalen Verhandlungsresultates und der Pflege der zwischenmenschlichen Beziehung richtet.

Damit werden

·         vor allem kindgerechte Lösungen angestrebt, die diesem Attribut unter den jeweils gegebenen Umständen am nächsten kommen.

Prozeßbewußt aber meint das Beherrschen der Vorgehensweise. Dies impliziert eine iterative  Beschäftigung mit der Thematik und eine Auseinandersetzung mit seiner eigenen Persönlichkeit. Es reicht nicht, die richtigen Argumente zu nennen. Sie müssen glaubhaft und wirkungsvoll vermittelt werden.

Demgegenüber steht das im förmlichen Verfahren erkannte Prinzip, das oft ein emotionales väterliches Verhalten erzeugt, welches in Folge zu einer weiteren gesellschaftlichen Degradierung von Vaterschaft und persönlicher Isolierung führt.

Sachgerechtes Verhandeln in diesem Sinne ist also auch 

·         Engagement für Vaterschaft und Väterlichkeit sowie

·         Werbung für deren Anerkennung und Akzeptanz in allen gesellschaftlichen Kreisen.

 

 

 

Gustav Fröhlich

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