Information von Väter für Kinder e.V.:

Terminierung von Verfahren zum Kindschaftsrecht

Wir haben schon oft moniert, dass bis zu gerichtlichen Entscheidungen zum Kindschaftsrecht in Deutschland vielfach zu viel Zeit vergeht, so vollendete Tatsachen geschaffen werden und Betroffenen ihr Recht effektiv verweigert wird (vgl. z. B. VfK Info 10/97). Entsprechend wohl fundierten psychologischen Erkenntnissen erfordert das kindliche Zeitempfinden eine besondere Beschleunigung von Verfahren mit minderjährigen Kindern. Der Zeitfaktor spielt insbesonderes bei Eltern-Kind-Entfremdung (PAS) eine ganz entscheidende Rolle. Dem hat man beispielsweise in vielen Staaten der USA schon längst durch zum Teil sehr strikte Fristsetzung Rechnung getragen. Sorge/Umgangsrechtsfragen müssen gegenüber anderen gerichtlichen Verfahren beschleunigt behandelt werden, z.B. innerhalb von 20-60 Tagen, vgl. z. B. die Regelungen im Family Code von Kalifornien, Sec. 3023, 3062, 3170-73 zu einstweiligen Anordnungen und verpflichtender Mediation. Ganz ähnliche Regelungen mit strikten Fristsetzungen bei Anträgen wegen Umgang mit einem Elternteil oder Großeltern, oder in diesem Zusammenhang gerichtlich angeordneter Mediation gibt es auch in Colorado, statutes 14-10.129, 19-1-117.5 (Großeltern),19-3-104.

In Deutschland können immer noch, als ultimative "Waffe" im Sorge/Umgangsrechtstreit, unberechtige Vorwürfe von Gewalt oder gar sexuellem Kindesmißbrauch meist ohne jede weitere Konsequenz eingesetzt werden, als der der erwünschten Verzögerung der Verfahren und effektiver Kontaktsperre über Monate oder gar Jahre, mit entsprechender Entfremdung des Kindes vom anderen Elternteil. Solche Vorwürfe werden dementsprechend häufig bei hochstrittiger Trennung/Scheidung erhoben. Im Gegensatz dazu schreibt z. B. Colorado statute 14-10-129 (4) vor, dass bei einem Antrag zur Einschränkung des Umgangs wegen angeblicher Gefahr für das Kind nach höchstens 7 (sieben!) Tagen eine Anhörung und Entscheidung erfolgen muss. Umgang während dieser Woche muß begleitet sein. Findet das Gericht aber, dass der Antrag im wesentlichen leichtfertig, unbegründet oder schikanös war, muß die antragstellende Partei sämtliche Kosten des Rechtstreits übernehmen. Diese Kostenübernahme gilt übrigens auch bei Nichtbefolgen einer Umgangsregelung.

Dem Argument, dass Vorschriften zu einer derartigen Beschleunigung von Verfahren dem Prinzip der richterlichen Unabhängigkeit widersprechen, mit dem die Bundesministerien für Familie, Senioren, Frauen und Jugend und der Justiz in einer Stellungnahme entsprechende Forderungen des "Väteraufbruch für Kinder e. V." zurückwiesen, vermögen wir nicht zu folgen. Die amerikanischen Richter fühlen sich offenbar in ihrer Unabhängigkeit nicht tangiert. Ferner besteht schließlich auch schon eine Fristsetzung auf sechs Wochen zumindest bei internationaler Kindesentführung, nach Art. 11 des Haager Übereinkommens vom 20.5.1980, das auch in Deutschland seit 1.12.1990 in Kraft ist (vgl. dazu OLG Stuttgart - Beschluss vom 8.11.1999). Einer Erweiterung auf inländische Fälle könnte durch eine ohnehin längst fällige Novellierung der Prozessordnung ohne weiteres entsprochen werden.

Der folgende Beschluß (FamRZ 1999, 936) und die Anmerkungen dazu in FamRZ 2000, 295 erscheinen uns daher besonders wichtig:

OLG Hamm -ZPO §§ 42, 620; 13. FamS, Beschluß vom 29.12.1998-13Sbd 14/98.

Ein Richter, der auf Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung auf Mitteilung des Aufenthaltsortes eines Kindes lediglich auf den regulären nächsten freien Termin (in über sieben Wochen) mündliche Verhandlung anberaumt, kann wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden. (Leitsatz der Redaktion).

Aus den Anmerkungen von Dr Hans van Els, Solingen in FamRZ 2000, 295-296:

Zunächst werden eine Reihe von Entscheidungen angeführt nach denen eine verzögerte oder zu weit hinausgeschobene Terminierung keinen hinreichenden Anlaß gebe, an der Unparteilichkeit des Richters zu zweifeln. Dann heißt es:

Dem Beschluß des OLG Hamm geben gleich zwei Momente jedoch ein ganz besonderes Gepräge:

1.) Es ging um eine Entscheidung in einem einstweilige Anordnungs-Verfahren, also einem summarischen Verfahren, das auf schnelle Erledigung hin angelegt ist.

2) Es ging um eine Entscheidung zum Wohl des Kindes um Mitteilung zum Aufenthalt des Kindes.

Schon das zuerst genannte Moment gebietet, die Befangenheit des Richters eher als generell üblich in Betracht zu ziehen (vgl. OLG Oldenburg, FamRZ 1992, 192, sowie Musielak, a.a.O., Rz. 10, und ZöIIer/Vollkommer, a.a.O., Rz. 24, jeweils zu § 42 ZPO).

Vor allem das zweite Moment legt es nahe, die späte Terminierung ,,in weit stärkerem Maße, als das sonst bei den meisten zivilgerichtlichen Verfahren der Fall ist" ausnahmsweise eben doch als Befangenheitsgrund zu werten (vgl. OLG Karlsruhe, FamRZ 1994, 46, in einer Entscheidung zum Umgangsrecht; zustimmend Musielak/Smid, a.a.O.). Wie jüngst Stefan Heilmann, in seiner 1998 bei Luchterhand veröffentlichten Dissertation ,,Kindliches Zeitempfinden und Verfahrensrecht" eingehend und überzeugend dargelegt hat, ist es unumgänglich, auch im Verfahren, das ein Kind betrifft, die außerjuristischen Erkenntnisse über die Besonderheiten des kindlichen Zeitempfindens zu berücksichtigen. Aus diesem Grunde müssen auch Befangenheitsfragen vor diesem Hintergrund geklärt werden (Heilmann, a.a.O., 5. 176-178). Heilmann erinnert hierbei zu Recht daran: Anträge, wie auch der beim OLG Hamm, werden häufig in diesen Verfahren allein durch Zeitablauf faktisch abgelehnt, oder die Aussichten einer für den Antragsteller günstigen Entscheidung verschlechtern sich allein durch Zeitablauf. Der Entscheidung des OLG Hamm ist im Ergebnis also voll zuzustimmen. Ergänzend sei noch ausgeführt: Ob des kindlichen Zeitempfindens ist es dem Familienrichter zuzumuten, an seinen Sitzungstagen Zeiten für eilige Anträge zum Wohl des Kindes ,,freizuhalten" oder einen Termin außerhalb der Sitzungstage anzuberaumen (siehe auch hierzu Heilmann, a.a.O., S. 234 f.).

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vgl. auch:

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