Väter für Kinder e.V. ging zu der Berichterstattung im obigen Fall die folgende Stellungnahme zu, die wir aus Gründen der Fairness/Objektivität hier mit ausdrücklichem Einverständnis des Verfassers als dessen Meinung, zusammen mit unserer Antwort veröffentlichen. Die e-mail Adresse des Schreibers wurde von uns anonymisiert, da wir u. a. meinen, daß Diskussionen über den Vorgang selbst zwischen den unmittelbar Beteiligten geführt werden sollten. Dazu gehört VfK auch bzgl der Berichterstattung über den Vorgang nicht, da wir hierzu lediglich bereits öffentliche Darstellungen zitierten.
Thema: Tiemann - Kindsrückführung 1998
Datum: 16.03.99 10:51:24 (MEZ) Mitteleuropäische
Zeit
From: xxx@yyy.de0 (Sxx. Hxxx)
To: VfK@aol.com
Sehr geehrte Damen und Herren,
bezugnehmend auf den o.g. Fall und die wahrheitswidrigen Ausführungen auf Ihrer Homepage erlaube ich mir folgende Richtigstellung:
1. Wir waren das beauftragte Unternehmen und habe die Kindsrückholung durchgeführt. In unseren Geschäftsräumen werden sämtliche Unterlagen die den Fall betreffen verwahrt und können nach Absprache komplett eingesehen werden. Diese Unterlagen enthalten vor allem Gerichtsentscheidungen, Vollmachten, Photos vom Einsatzort, Spurensicherungsberichte, Aussagen uvam.
2. Der Artikel der Süddeutschen Zeitung ist - wie üblich - fehlerhaft und subjektiv recherchiert. Allein schon das genannte Datum ist unzutreffend. Der Einsatz fand am 28.03.98 statt.Es ist immer wieder beachtenswert, wie oberflächlich im Medienbereich gearbeitet wird.
3. Ich verwahre mich gegen den Begriff "gewaltsame Entführung". Sämtliche Verfahren gegen mich und meine Mitarbeiter wurden eingestellt. Grund: Die Anschuldigungen waren nachweislich (!) falsch. Das Fahrzeug wurde nicht von der Straße abgedrängt, die Kinder nicht aus dem Pkw gezerrt und auch Frau Tiemann/Lancelin nicht einmal berührt. In ihrer ersten Vernehmung bei der französischen Polizei hat Frau Tiemann auch zu Protokoll gegeben, daß gegen sie keine Gewalt angewendet wurde, erst nach Rücksprache mit ihrem Anwalt und gewissen Organisationen war dann plötzlich von Gewalt die Rede. Auch der Spurensicherungsbericht, der von der französischen Polizei gefertigt wurde, betont, daß keinerlei Gewalt stattgefunden hat. Diese Unterlagen können bei uns eingesehen werden.Die Kinder wurden auch nicht entführt, sondern rückgeführt. Das ist ein kleiner aber wichtiger Unterschied. Mit Beschluß vom AG Sulingen, Familiengericht, Az. 1 F 96/97 und 97/97 wurde Herrn Tiemann das Sorgerecht und das Aufenthaltsbesimmungsrecht zugesprochen. In Absatz 2 des rechtskräftigen Urteils steht: " Der Antragsgegnerin (Frau Tiemann) wird untersagt, mit den ehelichen Kindern die Bundesrepublik Deutschland zu verlassen. "
Das hat sie aber in einer wirklichen Nacht und Nebel Aktion mit Hilfe ihres Bruders aus Frankreich jedoch getan. Herr Tiemann wußte über 4 Wochen nicht, wo seine Kinder sind. Hier wurden die Kinder gegen ihren Willen und gegen das Gesetz von der Mutter aus ihrem sozialen Umfeld gerissen (Kindergarten, Schule, Freunde, Sprachraum etc.) und vollendete Tatsachen geschaffen.
4. Gewalt gegen die Kinder wurde auch nicht ausgeübt. Fakt ist, daß die Kinder durch den wochenendlichen Fax-Kontakt zu ihrem Vater langsam auf die Rückkehr nach Deutschland vorbereitet wurden. Frau Tiemann war bei dem Zugriff auf dem Weg vom Fax ihres Bruders nach Hause. Als sie mit ihrem Fahrzeug verkehrsbedingt anhalten mußte, wir standen vor ihr auf der rechten Seite der Fahrbahn und fragten sie nach dem Weg zu einer Sehenswürdigkeit, schöpfte sie langsam Verdacht. Als wir ihr die Unterlagen des Gerichtes Sulingen und die Vollmacht des Vaters in die Hand drückten, war sie sie derart errregt, daß sie aus dem Fahrzeug sprang und auf uns losging. Wir nutzten die Chance und sprangen in ihr Fahrzeug und fuhren damit weg. Allerdings hatten die Kinder sofort per Handy Kontakt zu ihrem Vater, der ihnen ausführlich erklärte, worum es ging. Die Kinder waren begeistert und freuten sich auf die Rückkehr zu ihrem Vater. Sie waren entsprechend schlecht versorgt und starkvernachlässigt. Caroline war erkältet und unzureichend bekleidet, Matthias stand mit nassen Socken in seinen Gummistiefeln. Wir hatten frische Kleidung, Spielzeug und Süßigkeiten für die Kinder dabei und betreut wurden sie während der 8-stündigen Rückfahrt durch Deutschland von einer weiblichen Mitarbeiterin unseres Hauses.Sie fühlten sich wohl, schliefen zum großen Teil der Fahrt und freuten sich auf ihren Vater. Wenn sie wach waren telefonierten sie immer wieder mit ihrem Vater. Auch die Begrüßung war entsprechend. Zwischenzeitlich möchten die Kinder uns wieder sehen und fragen ihren Vater nach uns oder wann sie den Urlaub in Bayern endlich machen könnten. Würden Kinder so reagieren, wenn sie von uns "gewaltsam" befreit oder ihrer Mutter Gewalt widerfahren wäre ? Wohl kaum ! Übrigens wurde das Auto auch nicht geraubt. Es handelte sich um ein Fahrzeug, das Herrn Tiemann gehört, deutsche Nummerschilder hatte und von Frau Tiemann verbotenerweise nach Frankreich mitgenommen wurde. Wir hatten autoschlüssel, Brief und Schein für das Fahrzeug sowie die Vollmacht, es zurückzubringen. Allerdings wurde davon abgesehen, da sich das Fahrzeug in einem absolut verkehrsunsicherem Zustand befunden hat (Bremsen defekt).Die Verantwortung der Mutter war schon wirklich respektabel.........
Allerdings verkauft sich die wahre Geschichte in den Medien nicht so gut. Es ist gerade hier wichtig, daß die Elemente Gewalt, Action, Kriminalität und arme Mutter in den Vordergrund geschoben werden, das Wohl der Kinder scheinheilig beleuchtet und tatsächlich den vorgenannten Elementen geopfert wird.
Wo wird denn in den Medien auf die folgenden
Punkte eingegangen:
a. Mutter hat Kinder entführt und aus dem
sozialen Umfeld gerissen
b. Mutter hat Kinder versteckt, der Schule
vorenthalten,
c. Mutter hat gegen gesetzliche Bestimmungen und
rechtskräftige Urteile verstoßen,
d. Onkel der Kinder (Franzose) hat unbewältigte
traumatische Erinnerungen an Deutschland und läßt dies an
Matthias aus (Er war bei der Kapitulation 1940 derjenige, der den
Kaffee vorkosten mußte, den Hitler trinken wollte)
e. Frankreich verstößt gegen internationales
Recht (Haager Konvention)
Das sind alles Punkte, die in Deutschland aus den verschiedensten Gesichtspunkten nicht opportun sind und nicht beleuchtet werden sollen. Man (Frau) könnte ja ins Fettnäpfchen treten, oder die Beziehung zu Frankreich könnte belastet werden. Eine scheinheilige, antidemokratische Einstellung verbunden mit einer geistigen Zensur.
Das sind Fakten, die wir auch belegen können. Die einstellung der Verfahren kam auch nicht von ungefähr, wenn man bedenkt, welche Straftatbestände man uns zur Last gelegt hatte (Raub, Entführung, Kindsentziehung, Nötigung, Körperverletzung, Straßenverkehrsgefährdung, Kennzeichenmißbrauch etc.) Trotz dieser Anschuldigungen stellte man das Verfahren schnell und für uns kostenfrei ein, da man langsam wußte, was wirklich geschehen ist und welche Aswirkung ein Prozeß wohl haben könnte. Man beachte in diesem Zusammenhang auch das Verhalten des BVG.
Soviel zur Sache. Bei Interesse gewähren wir Einblick in sämtliche Unterlagen. Allerdings ist der Vorgang inzwischen schon wirklich umfangreich.
Verbunden mit einem Wunsch nach objektiver Berichterstattung mit ausreichenden Recherchen verbleibe ich
mfG
Sxx. Hxxx
*************
Thema: Re: Tiemann -
Kindsrückführung 1998
Datum: 17.03.99
An: xxx@yyy.de0 (Sxx. Hxxx)
17.3.1999
Sehr geehrter Herr Hxxxx,
Vielen Dank für Ihr Schreiben bzgl. des Falles Tiemann / Lancelin.
Wir haben lediglich auf zahlreiche, bereits öffentliche, weitgehend übereinstimmende, inländische und ausländische Presseberichte, Meldungen namhafter Agenturen, ein offizielles Protokoll aus den Internetseiten der französischen Nationalversammlung, etc. hingewiesen. Wir wollen nicht einmal den leisesten Eindruck hinterlassen, eigene Behauptungen zum Sachverhalt aufstellen zu wollen oder die zum Ausdruck gebrachten Meinungen im einzelnen zu teilen. Deshalb nennen wir auch stets explizit die Quellen aus denen wir zitieren. Deren Urheber wären daher die richtigen Adressaten für Gegendarstellungen, z.B. die Süddeutsche Zeitung zu dem von Ihnen monierten Bericht. Wenn Sie gravierende Unrichtigkeiten belegen können, dann sind die Süddeutsche Zeitung oder die anderen Primärquellen presserechtlich zu einer Gegendarstellung verpflichtet, nicht wir. Trotzdem sind wir im Sinne der Objektivität gerne bereit auch Ihre Darstellung zu bringen, unter exakt denselben Bedingungen wie unsere anderen Berichte, d.h.unter Angabe der Quelle und ohne uns den Inhalt in irgendeiner Weise zu eigen zu machen. Es kann nicht unsere Aufgabe sein, dazu eigene, detaillierte Recherchen anzustellen, oder gar eine (straf)rechtliche Würdigung Ihrer Tätigkeit vorzunehmen.
Uns interessieren primär, entsprechend unserer Satzung, Fragen des Kindeswohls. Im speziellen geht hier es um die Umsetzung des Haager Übereinkommens durch Deutschland und andere Staaten. Dazu berichten wir auf gleiche Weise, ohne Parteinahme, auch von anderen Fällen. Wir wissen, daß es aus der Sicht der im Streit liegenden Eltern praktisch immer zwei "Wahrheiten"gibt. Wir glauben aber, daß auch Sie zustimmen werden, daß ein langes, heftiges Gezerre um elterliche Sorge, Umgang und Aufenthalt der Kinder Anlaß zu Besorgnis gibt und Verbesserungen des Systems nach sich ziehen sollte. Für letztere setzen wir uns ein, entsprechend unserem Motto ,,Wir [Kinder] brauchen beide [Eltern] ".
Bitte teilen Sie uns mit, ob wir Ihre e-mail, ev. mit weiteren Belegen Ihrerseits, als IHRE Darstellung bringen sollen (können), wenn Sie es wünschen, auch unter Weglassung Ihres Namens und Ihrer e-mail Adresse.
Mit freundlichen Grüßen
Väter für Kinder e.V.
Die Antwort des Unternehmens ist als Einverständnis zur Veröffentlichung der Stellungnahme zu verstehen. Sie ist verbunden mit weiteren Ausführungen zur Arbeitsweise der Agentur bei "Kindsrückführung", insbesondere ,,wenn Kinder, die seit Jahren in Deutschland leben, hier ihren Lebensmittelpunkt haben (Freunde, Schule, etc.) und dann von einem Elternteil beispielsweise in den orientalischen Bereich entführt werden, um dort in neue (negative) Lebensformen gepreßt zu werden (b. weiblichen Personen: Zwangsheirat, Verkauf, Zuführung zur Kinderpornographie zweckes Gelderwerb, rituellen Veränderungen wie Beschneidung uvam)".
Wir gehen aber, selbst ohne weitere Recherchen,
davon aus, daß dies im obigen Fall und den Signatarstaaten des
Haager Übereinkommens Frankreich (1.7.1988) und Deutschland
(1.12.1990) jedenfalls nicht zutrifft (zu den Problemen mit
Nichtsignatarstaaten vgl. z.B. das von Reunite vorgestellte Handbuch "International Parental
Child Abduction", oder die web Seiten von P.A.R.E.N.T.).
Dann sollten, auch unserer Meinung nach, statt
nach einem ,,Gesetz des Dschungels" (Präs.
Chirac, 1.12.98) vorzugehen, in der Regel möglichst rasch
ordentliche Gerichtsverfahren durchgeführt und abgewartet
werden. Allerdings, und dies sind der alleinige Fokus und das
Anliegen unserer Berichterstattung (keineswegs Recherchen zum
Handlungsablauf in diesem oder anderen konkreten Fällen) sollten
diese Verfahren auch wirklich strikt im Sinne des Haager
Übereinkommens durchgeführt werden, das trotz möglicherweise
sehr komplexer Fragen, eine rasche Rückführung in
den Staat des gewöhnlichen Aufenthalts vorsieht, in dem dann
auch eventuelle Sorge- und Umgangsfragen zu klären sind. Allein
die Bestimmung des gewöhnlichen Aufenthaltortes
nach dem Haager Übereinkommen kann manchmal schon ein komplexes
Problem sein.
Im vorliegenden Fall sind wir auf die bald zu erwartende grundsätzliche Entscheidung des Verfassungsgerichts gespannt, hoffen aber in jedem Fall, daß es im Sinne des Kindeswohls möglichst rasch zu einer allseits befriedigenden Lösung kommt.
Nachtrag (Januar 2001):
Die einstimmige Bestätigung des Urteils des OLG Celle durch das Bundesverfassungsgerichts erfolgte am 31.3. 1999 (AZ: 2 BvR 559/99). Das OLG habe die Rückführung der Kinder sorgfältig genug geprüft, hieß es in der Begründung. Die Kinder leben jetzt mit der Mutter in Frankreich. Nach unseren Informationen haben die Kinder jedoch regelmässigen Kontakt mit dem Vater, bei dem sie auch Ferienzeiten etc. verbringen. Dies ist offenbar möglich, weil zumindest die Mutter, als der jetzt "mächtigere" Wohnelternteil, sehr wohl zwischen der beendeten Paarbeziehung und der bleibenden Elternrolle unterscheiden kann, so wie man sich das in vielen solchen Fällen zum Wohle der Kinder wünschen würde.
Das deutsche Verfahren gegen das Sicherheitsunternehmen wurde, offenbar auf Grund einer Beschwerde, mit dem Anklagepunkt der Nötigung (im Straßenverkehr) wieder aufgenommen. Laut Gerichtsbeschluss vom 20.1.2001 wird das Verfahren nur gegen erhebliche finanzielle Auflagen nach §153a StPO eingestellt.
* Bezeichnung des Vorgangs laut Pressemitteilungen des Bundesverfassungsgerichts.
Mehr zum Fall Tiemann/Lancelin